piwik no script img

Prostitution - ein Beruf wie jeder andere?

■ Auf dem Hurenkongreß am Wochenende in Berlin wurde die Legalisierung des Gewerbes gefordert / Aber verschärfte staatliche Kontrollen befürchtet / Aussteigerprojekte sind unter den Frauen umstritten, weil sie das Selbstbewußtsein des Berufsstandes gefährden können

Soll Prostitution ein Beruf wie jeder andere werden? In einer Abschlußerklärung forderten die sechzig Frauen, die sich am Wochenende zu einem bundesweiten „Hurenkongreß“ im Schloß Glienicke trafen, die Legalisierung des Gewerbes. Gleiche „Rechte“ hätten Huren lediglich, wenn es darum geht, Steuern zu zahlen. Die gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherungen würden sie nicht aufnehmen wollen, das Arbeits- und Sozialrecht würde sie diskriminieren.

Trotz der Erklärung, die von Selbsthilfegruppen wie der Berliner „Hydra“ oder „Nutten und Nüttchen“ befürwortet wird, streben nicht alle Prostituierten nach einer rechtlichen Gleichstellung. Eine Reihe von Frauen befürchtet, daß der Staat durch die Legalisierung viel mehr Kontrollmöglichkeiten über das Gewerbe bekomme. Bisher mußten sich Prostituierte einmal wöchentlich bei den Gesundheitsämtern untersuchen lassen. Bei einer Legalisierung kämen jede Menge gewerbepolizeiliche Kontrollen hinzu.

Darüber hinaus könnten sich die Arbeitsbedingungen verschlechtern, etwa indem durch eine Legalisierung Arbeitszeiten festgelegt würden und sich die Frauen ihre Zeit nicht mehr selbst einteilen könnten. Eine Gefahr wäre auch, daß Frauen, die eigentlich aussteigen wollen, bei den Arbeitsämtern weiter in den Beruf hereinvermittelt würden und sie daher keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hätten.

Bei dem Kongreß ging es auch um das Verhältnis zu den ausländischen Prostituierten, vor allem zu Thailänderinnen und Philippininnen. Generell lehnten die Kongreßteilnehmerinnen die Existenz des Ausländergesetzes, das diese Frauen zu Illegalen macht, ab. Dennoch kamen - so berichtete die Teilnehmerin Pieke Bier mann - Stimmen auf, nach denen deutsche Prostituierte Ausländerinnen oftmals als unerwünschte Konkurrenz empfinden. Ein ähnlicher Unmut richtete sich auch gegen drogenabhängige Prostituierte. Sie würden von einigen Frauen nicht als „richtige“ Prostituierte anerkannt, sondern gälten als „Beschaffungprostituierte“.

Unstimmigkeit gab es auch in puncto „Aussteigeprojekte“ wie die Berliner „Hydra“. Einige Frauen kritisierten, daß solche Projekte nicht das Selbstbewußtsein der Prostituierten, sondern das Stigma von der unfreiwillig in die Prostitution gedrängten Frau förderten.

In der gemeinsamen Abschluß-erklärung forderten die Teilnehmerinnen neue Arbeitsplätze, in denen „endlich die in der Prostitution erworbenen Qualifikationen und Kompetenzen zum Zuge kommen“. Solche Arbeitsplätze könnten zum Beispiel Sextherapien sein für bislang „benachteiligte MitbürgerInnen im Knast, im Altersheim sowie in der Psychiatrie„; oder Aufklärungsarbeit im Dienst von Safer Sex bei Jugendlichen; oder aber Fachberatungen für Film und Bühne, „wo es um die Darstellung der Arbeit geht“.

Außerdem wollen die TeilnehmerInnen als Hurenbewegung stärker an die Öffentlichkeit treten. Geplant sind auch Demonstrationen zum Gedenken an den Generalstreik der französischen Prostituierten vom 2. Juni 1975.

Elisa Klapheck

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen