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Hannover träumt von Weltausstellung

Landeshauptstadt will sich für „Expo 1998“ bewerben / Fülle von Plänen vernebelt den Stadtplanern den Blick für das Machbare / Bewerbungsfrist endet am Sonntag / Nur Grün-Alternative widersetzen sich dem Prestigeprojekt  ■  Von Stefan Schellenberg

Hannover (taz) - Am 20. November läuft beim Pariser Weltausstellungsbüro die Bewerbungsfrist für den Austragungsort der 1998 stattfindenden Weltausstellung ab. Mit dem Rückenwind des fünfzigjährigen Jubiläums der Bundesrepublik will sich Hannover als einzige bundesdeutsche Stadt in den Ausscheidungskampf stürzen: Die Bewerbung der niedersächsischen Landeshauptstadt wird dabei von der Bundesregierung unterstützt. Eine durch die Hannover-Messe vorhandene gute Infrastruktur wollen die Stadtväter der Leinemetropole in die Waagschale legen. Industrieansiedlungen, und damit ein Gegengewicht zum wachsenden wirtschaftlichen Nord-Süd-Gefälle in der Republik, erhoffen sich die angeschlagene niedersächsische CDU-Landesregierung und eine große Koalition der Stadtratsfraktionen von SPD, CDU und FDP im Hannoveraner Rathaus.

Fünf Monate lang sollen täglich durchschnittlich 130.000 Besucher aus aller Welt die Stadt überfallen und in das „Expo„-Gelände strömen. Das wäre die zwei- bis dreifache Anzahl der Geschäftsleute, die heute schon jährlich zur weltberühmten Hannover-Messe die City für kurze Zeit den Hannoveranern unerträglich machen.

Wie schnell eine Weltausstellung für die Einwohner der sie ausrichtenden Stadt zur Katastrophe anstelle eines fröhlichen Festes wird, mußten die Bewohner des australischen Brisbane erleben. Dort schloß Anfang dieses Monats die „Expo 88“ ihre Pforten. Die Geschäftelandschaft hat sich dort sichtbar verändert. Kleine Läden wurden durch große Ketten mit überteuerten Exklusivartikeln aus ihren Geschäftsräumen gedrängt, die Ladenmieten kletterten in schwindelnde Höhen. Auf unerschwinglichem Niveau bewegten sich auch die Mietpreise. Um das „Expo„-Gelände herum haben zahlreiche Hauseigentümer ihre Mieter aus den Wohnungen vertrieben und diese zu lukrativen Pensionen umgebaut. Verteuert hat sich von der Busfahrkarte über die Jeans auch so ziemlich alles andere. Auf eigens angelegten Straßentrassen, die die Außenbezirke gnadenlos zerschneiden, rauschte zu „Expo„-Zeiten dann täglich eine Blechlawine zum Ausstellungsgelände. Die BesucherInnen wurden dann auf dem „Expo„-Gelände auch noch herb enttäuscht; was sie zu sehen bekamen, war lediglich eine Mischung aus Oktoberfest und Disney-Land.

Sprachlos, aber zustimmend nahmen die Mitglieder des Bau und Grünflächenausschusses des hannoverschen Stadtrates entgegen, was die Stadtverwaltung und die federführende Deutsche Messe AG (im Besitz der öffentlichen Hand) in den vergangenen Wochen an Plänen für die Weltausstellung 1998 ausgeheckt hatten. Insgesamt 165 Hektar Grünfläche am stadtnahen Kronsberg, ursprünglich als künftiges Naherholungsgebiet in der Diskussion, stehen auf der Opferliste für die Weltausstellung. 15.000 Parkplätze sollen für die Besucher eines zu errichtenden populärwissenschaftlichen Zukunftsmuseums und einer Riesenhalle mit 30.000 Plätzen, genannt „Superdome“, neu geschaffen werden. Eine Kabinenbahn mit dem neckischen Namen „Monorail“ soll die Besucher zwischen Messebahnhof und Ausstellungsgelände hin- und herschweben lassen. Eine Fülle von Ideen kursiert unter den Projektbetreibern, aber die Realisierungsmöglichkeiten sind weitgehend offen: Als schnelle Verbindung zwischen Hamburg und Hannover soll der Hochgeschwindigkeitszug Transrapid mit Blick auf die Weltausstellung zur Hälfte unter Tage von der „Expo“ zum Hauptbahnhof führen. Zahlreiche Straßenzüge sollen für die Blechlawine präpariert und erweitert werden. Damit Bürger und Besucher sehen, wie man es anders besser machen könnte, will die Stadtverwaltung an anderer Stelle einen autofreien Stadtteil schaffen. Und noch eine Beruhigungsmaßnahme für die gebeutelten Hannoveraner haben sich die Verwaltungsoberen ausgedacht: Ein Stadtteil soll laut Verwaltungsdrucksache im Jahre 1998 „von den Bürgern selbst regiert“ werden. Aber nicht einmal der Name des Stadtteils ist bislang bekannt.

Was darüber hinaus alles im Zentrum Hannovers am Stadtbild verändert werden soll, wollen die Reißbrettartisten erst nach einer zustimmenden Entscheidung aus Paris überlegen. Und die kann sich ein Jahr hinziehen. Zwei Dinge sind außerdem noch völlig unklar: wie eigentlich das hochtrabende Motto „Mensch - Natur - Technik“ inhaltlich gefüllt und wie das ganze Spektakel mit den notwendigen Millionensubventionen bezahlt werden soll. Einen Finanzierungsplan, so heißt es, gibt es noch nicht.

Die grün-alternative GABL-Stadtratsfraktion versuchte, quasi als Notbremse, während der Woche vor der heutigen Ratssitzung mit einem 10-Punkte-Programm gegen die Weltausstellung Stimmung zu machen. Lange Zeit war der grün -nahe Umweltdezernent Klaus Groth einziger öffentlicher Kritiker.

Mittlerweile haben sich auch die Naturschutzverbände BUND und DBV in einem gemeinsamen Brief an die Ratsmitglieder zu Wort gemeldet, um das auf zehn Jahre angelegte Projekt mit all seinen ökologischen Folgen im letzten Moment zu verhindern. Bleibt abzuwarten, ob sich die Sozialdemokraten

-wie angekündigt - mit der naiven Begründung, „bürgerfeindliche Auswirkungen verhindern zu können“ (SPD -Chef Jüttner), ein weiteres Mal lieber auf die Seite der Wirtschaft als auf die der Ökologie stellen.

In Brisbane hatte kein Stadtrat und kein kommunales Gremium die Folgen der Weltausstellung verhindern können. Wenn jetzt in Paris über den Standort der „Expo“ 1998 entschiden wird. bleibt abzuwarten, ob nicht Bürgerproteste Einfluß auf die Entscheidung nehmen könnten.

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