: Roland mit Nazi-Herz
■ 50 Jahre lang steckte eine Hymne des SA-Gruppenführers und Bremer Bürgermeisters im steinernen Ritter / Jetzt soll sie herausoperiert werden
Daß der Roland auf dem Bremer Marktplatz in den 500 Jahren seiner steinernen Existenz allerhand hätte sehen können, ist keine Frage. Daß er das Hin und Her der Geschichte jedoch auch auf Papier in sich trägt, hat er erst dem SA -Gruppenführer und Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen, Heinrich Böhmcker, zu verdanken. Und daß die „50jährige nationalsozialistische Okkupation des Roland“ 1988 wieder beendet wird, dafür wollen jetzt Kultursenator Franke und Landesdenkmalpfleger Christoph Hoffmann sorgen. Mit einer Sonde soll der Metallkasten aufgespürt werden, den die Nazis am 5. November 1938 bei einer gründlichen Sanierung ins Fundament des Roland versenkt hatten.
„Er sah hohe Blüte und traurigen Niedergang, ungestümen
feindlichen Angriff und entschlossene Abwehr, Gutes und Böses in Staatsführung und Volksbewegung“, berichtet die „Urkunde“ des SA-Bürgermeisters in faschistischer Prosa, „er sah das erste Reich sich neigen und das zweite heraufkommen, er erlebte dessen Zusammenbruch und die glänzende Wiedergeburt der Herrlichkeit des Reiches und das Werden eines größeren Deutschlands durch die nationalsozialistische Bewegung Adolf Hitlers, die dem alten Bremen die ihm geschichtlich gebührende Aufgabe, für Großdeutschland ein Schlüssel zur Welt zu sein, neu zugewiesen hat.“
Autor dieser Hymne war - wenige Tage vor den Pogromen auch an Bremens Juden und kurz nach dem „Anschluß“ Österreichs und der deutschen Besetzung der Tschechoslowakei - der Leiter des Staatsarchivs, Friedrich Prüser. Er übernahm diese Funktion schon 1949 wieder. Doch von der Kiste mit dem
nationalsozialistischen Inhalt redete er nicht mehr und auch Bremens Nachkriegs-Bürgermeister mochten sich mit der Hinterlassenschaft ihres Vorgängers im steinernen Roland nicht mehr befassen. Dabei war die Kopie aller eingemauerten Unterlagen immer in der „Roland-Akte“ des Staatsarchives einzusehen.
Dort ist auch nachzulesen, wem Bremens Bürgermeister 1938 den sanierten Roland widmen wollte: „Wiedererstanden in dem Jahr, da unser Führer Adolf Hitler, Bremens Ehrenbürger, sein österreichisches Heimatland in das zu neuem Glanze erblühte Reich zurückführte und diesem dazu das von tschechischer Willkür unterdrückte Sudentendeutschland zurückgewann, soll der neue Roland Bremens Bürgern für immer auch eine Erinnerung an denkwürdige Großtaten deutscher Geschichte und ein Mahnmal zu wehrhafter Einsatzbereitschaft für Einigkeit und Freiheit, Recht und Frieden
sein.“
50 Jahre klüger soll die Kiste nun dem Roland aus der Brust operiert werden. Er wird dazu steinerne Miene machen.
Ase
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