„Irgendwie“ - das häufigste Wort

Viele ehemals abhängige Junkies sprechen sich für eine Verschärfung der Drogengesetze aus. Es ist eine ohnmächtige wie hilflose Folge der Ratlosigkeit, die sowohl in weiten Teilen der Szene wie auch der Politik herrscht. Kaum jemand will die Ursache der Sucht in Angriff nehmen. Einige Drogenabhängige über ihre Erfahrung mit der erlaubten „mäßigen Menge zum Eigengebrauch“:

Maria aus Reggio, 27 Jahre alt, derzeit in einer Therapiegemeinschaft von San Patrigiano, hält eine Liberalisierung „für das Todesurteil der kommenden Generation„; Massimo, 31, aus der Gemeinde „Abele“ bei Turin, weiß „ganz sicher, daß ich nicht abhängig geworden wäre, hätte es damals schon Strafen gegeben“, und Patrizia Di Onofrio, 43, vordem selbst süchtig und Mutter eines ebenfalls süchtigen 15jährigen Mädchens, hofft, „daß die meine Tochter durch Einführung von Strafen irgendwie zwangsweise von der Nadel bringen“.

Irgendwie - das häufigste Wort in diesen Tagen. Speziell bei der großen Demonstration in Rom, wo am Mittwoch an die 40.000 Jugendliche und Drogenabhängige mitmarschiert sind: „Irgendwie“ müsse man die Einfuhr des Giftes stoppen, „irgendwie“ Vorbeugemaßnahme ergreifen, „irgendwie den Abhängigen ihren sicheren Tod klarmachen und sie - ebenfalls 'irgendwie‘ - herausziehen aus ihrem Elend“. Speziell die Geheilten, die ehemals Abhängigen, sehen heute in einer Strafandrohung „doch eine gewisse Hemmschwelle, da einzusteigen“.

Bei genauen Nachfragen verwischt sich freilich auch dies wieder ins „irgendwie“: „Irgendwie“, sagt Gennaro (29) vom „Centro italiano di solidarieta“ in Rom, „wäre ich dann wohl über die Jahre hinweggekommen, in denen man anfällig ist: ich hab immer Angst vor Strafen gehabt“. „Irgendwie hält einen ein Knastaufenthalt“, sagt Minno, 22, aus der Gruppe „Abele“, „schon allein durch den zwangsweisen Entzug wieder für eine Zeit sauber, und man kann dann doch wieder von Neuem beginnen.“

Nur: die Kameraden aus der Gemeinschaft „Solidarieta“, die im Knast waren, meist wegen Drogenhandels oder Beschaffungsdelikten, haben daraus keine „Sauberkeit“ bezogen. „Im Gegenteil“, murrt Bernardo, 23, ebenfalls von der „Abele“, „von den paar Dutzend, die ich kenne, haben alle, die im Knast waren, wieder mit dem Spritzen angefangen, oder aber, wenn sie sauber wurden, blieben sie bei der Kriminalität.“

Das „irgendwie“ der Ex-Abhängigen spiegelt freilich nur die totale Ratlosigkeit der Fachleute wieder. Auf der Demonstration erklärte der Hochkommissar für den Antimafiakampf, Domenico Sica, das Dilemma: „Die erlaubte mäßige Menge zum Eigengebrauch verführt natürlich zum Handel, um den Eigenbedarf zu decken. Doch bei fallenden Endpreisen und steigendem Eigenbedarf ist das nur eine kurze Atempause. Der massiveren Beschaffungskriminalität tut das keinen Abbruch.“ „Andererseits“, so Sica, „ist ein Kampf gegen die Drogen lediglich mit Hilfe von Repression sinn und aussichtslos.“ Also? „Man muß die Kultur ändern“, sagt er und erhält mächtigen Beifall, „ein Klima, das Rauschgiftnehmen nicht zur Mode und auch nicht zum Ausgleich für das Nichtertragen der Realität nimmt.“

„Leicht gesagt“, murrt Alessandro aus der Gruppe „Incontro“, „bei zwei Millionen jugendlichen Arbeitslosen.“ Und Annarita neben ihm breitet resignativ die Arme aus. „Die wollen einfach nicht kapieren, daß, wer Rauschgift nimmt, träumen will. Und solange die Realität soviel schlimmer ist als die Träume, nimmt man das Zeug eben.“