: "Berliner können sich mit ihm identifizieren"
■ Goldjunge,Pferdenarr,Ehrgeizling - Dirk Hafemeister im Portrait/Internationales Reitturnier CHI in der Deutschlandhalle * Ergebnisse: CHI
Er beantwortet alle Fragen. Höflich, freundlich, witzig. Manchmal gerät er sogar ins Schwärmen. Wenn es um seinen Job geht, die Springreiterei. Über sein Innenleben hingegen dringt so gut wie nichts nach außen. Da gibt sich der Berliner Dirk Hafemeister, 30, der in Seoul bei den Olympischen Spielen mit der Reiter-Equipe die Gold-Medaille holte, eher zugeknöpft. Bei ihm muß der Beobachter genau hinschauen. Und tatsächlich: Plötzlich macht er eine kleine Handbewegung, die ihn verrät. Ein Zeichen, das etwas von seiner Psyche preisgibt. Seinen Ehrgeiz enttarnt. Als Hafemeister einen Kollegen auffordert, mit ihm zu kommen, tut er es in der Manier eines Siegers, eines Fordernden, wie jemand eben, auf den man hören sollte. Hafemeister hebt kurz den Arm, zischt „Los jetzt, zack-zack“ und legt eine Mimik auf, die keinen Widerspruch zuläßt.
Diese Szene, typisch für Hafemeister, ereignete sich am ersten Tag beim Internationalen Reitturnier CHI in der Deutschlandhalle, bei dem der „Goldjunge“ zum unumwundenen Star werden sollte. Schon im Vorfeld warb der Veranstalter AMK: „Die Berliner können sich mit Hafemeister identifizieren.“
Doch daraus wurde nichts. Die Distanz war zu groß. Die Begeisterung hielt sich in Grenzen. Hafemeister: „Das Publikum bei uns ist eine Katastrophe. Da werden Olympiasieger präsentiert, in Berlin sind die Tribünen nur halb gefüllt. Unglaublich.“ Vielleicht lag es einfach daran, daß Hafemeister noch immer ein schlechter Ruf nachhängt ein reicher Pferdenarr, der keine Ahnung hat. Es gibt nicht wenige Experten, die dem Berliner „mangelnde reiterliche Qualität“ nachsagen. Seine Erfolge basierten lediglich auf der Tatsache, daß er sich Ausnahme-Pferde hat leisten können. In der Tat stehen mit „The Freak“ und „Orchidee“ zwei Springer in den Stallungen, die zur absoluten Weltspitze gehören. Für das erstklassige lebende Sportgerät hatte Papa Hafemeister gesorgt, ein Bauunternehmer, der sich in den vergangenen Jahren als größter Sponsor im deutschen Springsport hervortat. Ein Geschäft der hohen Summen, viel Geld für das tierische Vergnügen. „The Freak“ soll eine siebenstellige Summe gekostet haben.
Daß Hafemeister junior kein Naturtalent ist, gibt er selbst zu. Er ist ein Arbeiter. Einer, der sich mit Fleiß und Schweiß durchgebissen hat. Am meisten habe er von Paul Schockemöhle gelernt, sagt er. So ist es auch kein Wunder, daß sich Hafemeister mit seinen Pferden vornehmlich im oldenburgischen Mühlen aufhält, bei seinem Lehrmeister. Wenn es ums Reiten geht, ist der 30jährige nicht mehr der nette Junge von nebenan. Wer sein verkniffenes Gesicht gesehen hat, als er beim Championat von Berlin kurz vorm Triumph im Stechen den sicher geglaubten Sieg durch Fehler doch noch verschenkte, der weiß das. „Härte und Disziplin“, das sind für ihn die Garanten des Erfolges. Und um diesen zu erhaschen, gab Hafemeister sein Studium auf. Fünf Semester Betriebswirtschaft - dann war Schluß. Seitdem ist er Profi.
Hafemeister ist kein Fachidiot. Auch wenn er zumeist seine Pferde im Kopf hat und mit ihnen trainiert. Das tägliche Arbeiten daran, daß sich Mensch und Tier vollkommen vertrauen, die wichtigste Voraussetzung, um erfolgreich zu sein. Nicht nur das rumort in ihm. „Wir brauchen große Turniere wie dieses in Berlin, das sich immer besser macht. Ein bißchen Show mit großem Sport, wofür in der Halle alle nötigen Voraussetzungen geschaffen wurden.“ Da spricht der Promotionsmann Hafemeister. In diesem Bereich ist er sich für nichts zu schade. Als er mit einer Kutsche in die Halle gefahren wird, witzelt der Berliner vor mehreren tausend Zuschauern: „Heirat? Dafür hab ich nur noch einen Termin im Januar frei.“
Und sportlich? „Im Weltcup will ich ganz nach vorne reiten. Beim Finale in den USA würde ich gern mit von der Partie sein.“ Zuzutrauen ist es ihm. Dirk Hafemeister, der Lokalmatador. Kein Publikumsliebling. Dennoch ein reicher Pferdenarr, der sich abschuftet. Tierisch. Mit seinen Tieren.
Holger Schacht
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