: Kinderschuld mit Zeitgeist
■ Am Sonntag hatten im MOKS-Theater die Kinder-, Familien- und Lebensgeschichten des jüdischen Autors Peter Sichrovski Premiere: „Schuldig geboren“
Es ist dunkel, Maschinengewehr salven und Bombendetonationen. Krieg! „Schuldig geboren“ von Peter Sichrovski findet so seinen Anfang. Vier „Mörderkinder“ werden sich im Verlauf des Stückes schlaglichtartig vorstellen, Kinder, die allein durch ihre Geburt „schuldig“ geworden sind.
Kindergeschichten, Familiengeschichten, Lebensgeschichten. Authentische Interviews des jüdischen Autors Sichrovski, die das Moks-Theater theatralisch umgesetzt hat.
Z.B. Johannes. Johannes erzählt, wärend er seine Kindheit per Puppenhaus rekonstruiert. Einblicke in ein ganz „normales“ Familienleben: Keine Schläge und jeden Mittwoch fünfundzwanzigmal „quietsch quietsch“ aus dem Elternschlafzimmer. Das geregelte „Mörderkindleben“. Johannes der Unschuldige.
Wieder Dunkelheit, wieder Krieg. Kettenrauchend sitzt sie da, Susanne, die Hoffnungsvolle, die von ihrem Sohn erfahren muß, daß ihr Vater ein Nazimörder war.
Rudolf, der Schuldige, will unerkannt bleiben, wartet darauf, daß „sie Ihn holen kommen“: Ein Leben unter Naziveteranen in Südamerika. Die einzige Rache an seinen Eltern: Tunte sein. „Blond und blauäugig, ich war ein Renner in Argentinien!“
Und dann - keiner hätte mehr etwas erwartet - kommt Sie!: Stefanie, die Stolze, pädagogischer Dreh- und Angelpunkt für den Deutsch-, Politik- und Gemeinschaftskundeunterricht ab 10. Klasse. Durch den Paravent, auf dem eben noch der Schattenriß Rudolfs zu sehen war, springt sie in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit: Stefanie , die nur
sich selber geil findet. Die keine Schuld mehr tragen will, die genug hat von der Selbstverleug nung, obwohl oder gerade weil ihr Großvater in Nürnberg verurteilt und hingerichtet wurde. „Zeitgeist-Interpretin“ und Identifikationsmodell Nr.1. Kaugummikauend, ganz Punkette, darf sie hier freier als Herr Jenninger, das deutsche Büßerritual in Frage stellen, nach ideologischen Zukunftsperspektiven fragen und sogar auf Männer in Uniform stehen. Aber nicht ohne national-anrüchig zu wirken.
„Die Jugendlichen verdrängen
diese Zeit“, bemerkte das Moks-Theater und hat sich deshalb erneut des Themas angenommen. Das Buch, an sich gar nicht zur Aufführung konzipiert, ist schon des öfteren theatralisch umgesetzt worden, unter anderem von Tabori in Wien. Das Moks-Theater verspricht sich von der Aufführung des Stücks um jugendnahe Generationen viel Verständnis. Wenn eine Eltern-Generation die Generation ihrer Eltern pädagogisch an ihre Kinder vermitteln will, wird es wohl für alle Seiten nie einfach sein.
KeDe
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