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Schneesturm mit Folgen

Die deutsch-französische Brigade ist nicht winterfest  ■  Aus Böblingen Dietrich Willier

Übers Kasernengelände trabt ein Trupp Soldaten. Deutsch -französisch. Den Kasernenzaun bewachen deutsch-französische Doppelposten. In der Böblinger Wildermuth-Kaserne ist der erste Besuch der deutsch-französischen Brigade durch die Inspekteure beider Heere angesagt. Ein militärisches Zeremoniell soll es geben, und einen Empfang.

Doch alles bleibt still. Ein paar Soldaten laufen sich warm, andere werkeln an einem Schützenpanzer. In der Nacht hatte es zu schneien begonnen - und nicht mehr aufgehört. Die Stühle der Ehrentribüne sind mit Zeltplanen abgedeckt, für Journalisten gibt es Kaffee und belegte Brötchen - und man wartet.

Die deutsch-französische Brigade, vor Jahresfrist mit Getöse beschlossen - eine Ente? Das Bollwerk gegen den Osten schiere Theorie? Da löst sich aus einer Gruppe tuschelnder Offiziere ein aufrechter, schneidiger. Meine Herren, löst er die Spannung, meine Herren, die Truppenparade der deutsch -französischen Brigade ist abgesagt, wegen Schnee! Gibt es einen neuen Termin? Nein. Das wird nachgeholt, vielleicht wenn es wärmer ist!

Das alte Problem, meint ein Offizier, die deutsche Armee ist nicht wintertauglich. Und die französische? - Denken Sie nur an Napoleon! Vergeblich hatten sich französische Truppen durch die Schneeverwehungen zwischen Tübingen und Böblingen gemüht. Und auch von General Forray aus Paris keine Spur.

Nur die Reden, die gab es. „Sie, Soldaten, sind hier heute angetreten“ - doch der Exerzierplatz blieb leer - „zur Gestaltung der Zukunft, zum Beweis unserer Solidarität...“ Und: „Die Probleme im Truppenalltag sind neu und vielfältig, die Ausrüstung ist unterschiedlich. Der taktische Einsatz ist zu harmonisieren, Sprachprobleme sind zu lösen. Ich bin sicher, daß Sie diese großartige Aufgabe mit Schwung anfassen werden...“ Mit weniger Schwung werden draußen die ersten Schneeschaufeln geschultert.

Bis Oktober 1989 soll die Brigade gleichwohl stehen. 4.200 Mann in Böblingen, Donaueschingen, Horb und Stetten, mit Panzern, Artillerie und Versorgungseinheiten, dazu zwei französische Regimenter aus der „schnellen Einsatztruppe“. Schneeketten sind in der hochmodernen Ausrüstung bisher nicht vorgesehen.

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