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Uranfabrik im rechtsfreien Raum

■ Neues Gutachten listet das Sündenregister von Ellweiler auf / Landesregierung will nicht gegen Stillegung der Urananlage vorgehen / Grüne verlangen endgültige Schließung und Rekultivierung des Betriebsgeländes

Berlin (taz) - Der Weihnachtsmann bringt der Atomgemeinde dieses Jahr ein besonders hübsches Geschenk: Die Urananlage in Ellweiler soll am 15. Dezember stillgelegt werden. Die einzige bundesdeutsche Anlage zur Aufbereitung von Uranoxid würde damit ihre Tore schließen. Für wie lange, weiß niemand. Nach langem Tauziehen haben sich die Bürgerinitiative Ellweiler und die Grünen mit ihren Forderungen durchgesetzt.

Wie gestern berichtet, hat Landrat Ernst Theilen (SPD), die „Gewerkschaft Brunhilde“ als Betreiberin aufgefordert, die Anlage bis zum Stillegungstermin leerzuräumen. Nur eine Weisung der rheinland-pfälzischen Landesregierung könnte die Uranfabrik im schönen Tal des Steiaubaches noch vor der Schließung retten.

Der scheidende Umweltminister und neue CDU-Parteichef Wilhelm will sich allerdings kurz vor dem Amtswechsel nicht mehr die Finger verbrennen. Die Stillegung sei ausschließlich Sache des Landrats, ließ er gestern über sein Ministerium verbreiten.

Theilen, von den Grünen unter Druck gesetzt und selbst mit einer Klage bedroht, falls er die Anlage ohne Rechtsgrundlage weiter in Betrieb lasse, scheint nach langem Tolerieren dubioser Zustände diesmal standhaft zu bleiben. Erleichtert wird ihm dies durch ein von ihm angefordertes Gutachten des Öko-Instituts Darmstadt, das ihm diese Woche zuging.

In dem Gutachten werden geradezu haarsträubende Zustände in der Uran-Klitsche aufgelistet. Danach ist die Uranfabrik ein illegal arbeitender Betrieb, der die erlaubten radioaktiven Höchstwerte überschreitet, seine Mitarbeiter gefährdet und das Grundwasser verseucht:

-Ohne Rechtsgrundlage würden chemische und radioaktive Stoffe ins Grundwasser abgeleitet. Eine behauptete Tonschicht, die das Betriebsgelände abdichten soll, existiere nicht.

-Die Anlage leite aufgrund unzulässiger Grenzwerte, die nicht der Strahlenschutzverordnung entsprechen, radioaktiv kontaminiertes Wasser in den Steinaubach.

-In Ellweiler gebe es keine Emissions-Überwachung der Radioaktivität. Dies sei auch gar nicht möglich, weil die Anlage an allen Ecken und Enden unkontrolliert Radioaktivität abgebe.

-In der Umgebung der Anlage werde an mehreren Meßpunkten die erlaubte radioaktive Höchstdosis deutlich überschritten. - Nur bei zwölf der 25 Mitarbeiter der Anlage werde die Strahlenbelastung gemessen und dies mit unzureichenden Mitteln.

Zu diesem Sündenregister kommt ein weiterer zentraler Punkt hinzu, der inzwischen auch von TÜV und Gewerbeaufsicht moniert wird: Die Anlage stößt einen ganzen Cocktail von Schwermetallen aus, hat aber keine immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Für Landrat Theilen ist dies der eigentliche Grund für die zunächst „vorübergehend“ genannte Stillegung. Für die Grünen reichen diese Verstöße, um eine endgültige Stillegung und den sofortigen Beginn der Entseuchung und Rekultivierung der Anlage zu verlangen. BI-Sprecher Jürgen Essig: „Es klingt makaber, aber die Schließung schafft auch Arbeitsplätze.“

Manfred Kriener

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