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SBD: Sozial-Basisdemokraten

■ SPD-Chef Walter Momper forderte in einem Vortrag mehr Volksabstimmungen und Direktwahlen / Parteien sollen einen Teil ihrer Macht einschränken

Mehr Macht dem Volke, forderte gestern abend der Partei- und Fraktionschef der SPD, Walter Momper, in einem Vortrag in der Urania. Erreichen will er die Basisdemokratie dadurch, daß die Parteien ihre Allmacht selbst stutzen. Er hat eine Parteienverdrossenheit ausgemacht, die sich bei vielen Bürgern auf die Erfahrung stütze, „daß die eigene persönliche Teilnahme am politischen Prozeß wenig bewirkt“. Daher müßten die Gesellschaft und ihre Organisationen an mehr Entscheidungen unmittelbar beteiligt werden. Die repräsentative Demokratie bedürfe der Ergänzung durch „plebiszitäre Elemente“. Ganz „ungeheuer beleben“ würde es das politische Geschäft, wenn „wahlkampfähnlich nicht zwischen SPD und CDU, sondern um eine Autobahn, die Mietengesetze oder den Flächennutzungsplan unter Beteiligung aller Bürgerinitiativen und Interessenverbände gerungen würde“. Als beispielhaft nannte Momper die SPD-Kampagne zur Mietpreisbindung im Sommer 1987. Momper schlug vor, Volksbegehren und Volksabstimmung auf alle Sachfragen auszudehnen. Außerdem solle überprüft werden, ob die Mitwirkung gewählter Parteienvertreter in den diversen Kuratorien, Beiräten und Aufsichtsgremien wirklich nötig sei. Für die Zusammensetzung des Rundfunkrats des SFB möchte Momper, daß sogenannte Bürgervertreter entsandt werden, die je Bezirk in direkter Wahl bestimmt werden. Auch die Bezirksbürgermeister sollten direkt gewählt werden. Die Hälfte der Berliner hätten auf die Frage, wem sie die Zukunftsprobleme der Stadt anvertrauen wollen, geantwortet: „Keiner Partei!“ Von den ca. 50.000 Parteimitgliedern der SPD seien nur etwa 5.000 aktiv. Der „Führungskern“ bestehe dann nur aus 500 bis 1.000 Leuten, die die Ämter und Mandate besetzt halten. Mit dieser Struktur sei die Parteiendemokratie „auf Dauer nicht lebensfähig“.

RiHe

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