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Brück mit dem Rücken zur Wand

Frankfurts Oberbürgermeister Brück gerät immer mehr unter Verdacht, mindestens seit 1984 von der Korruption in der Stadtverwaltung zu wissen und nichts unternommen zu haben / Prozeß gegen einen bestechlichen Abteilungsleiter brachte eine Lawine ins Rollen / CDU schützt einen SPD-Dezernenten vor dem Rücktritt  ■  Aus Frankfurt Heide Platen

Oberbürgermeister Wolfram Brück (CDU) steht mit dem Rücken zur Wand. Seit im Prozeß gegen den ehemaligen Abteilungsleiter im Garten- und Friedhofsamt, Alfons Weil, immer mehr Details über die Bestechlichkeit in der Stadtverwaltung herauskommen, erhärtet sich der Verdacht, Brück habe bereits seit mindestens Ende 1984 oder gar 1983 davon gewußt.

Anfang November endete eine von SPD und Grünen verlangte Sondersitzung des Stadtparlaments im Römer erst weit nach Mitternacht. Die Fetzen flogen rund um den Korruptionsskandal in der Mainmetropole, der Anfang 1987 von der Staatsanwaltschaft aufgedeckt wurde und in dem über 300 Ermittlungsverfahren gegen städtische Bedienstete und Unternehmer eingeleitet worden sind. In über 20 Verfahren wurden inzwischen empfindliche Geldbußen gegen die Angeklagten verhängt.

Brück wehrt sich auf seine Weise: Er bezichtigt die Medien der „journalistischen Wegelagerei“, verdächtigt die Opposition, sich widerrechtlich Prozeßakten beschafft zu haben, und prozessiert gegen Funk, Fernsehen und Zeitungen nur zur Sache will er nichts sagen.

Brück begründet seine Weigerung gegenüber den ParlamentarierInnen damit, daß er nicht in ein laufendes Gerichtsverfahren eingreifen wolle, zu dem er möglicherweise noch als Zeuge geladen werden könne. Er habe dies, ließ er die staunenden Stadtverordneten wissen, dem Gericht sogar angeboten. Und eben darum müsse er nun zum Fall Weil schweigen. Diese Rechtsauffassung brachte die Opposition in Harnisch. Der Oberbürgermeister versuche lediglich, sich vor den unangenehmen Fragen der ParlamentarierInnen zu drücken, mutmaßte der Grüne Lutz Sikorski. Es gehe nicht an, daß ein Oberbürgermeister zur Korruption in der Stadtverwaltung schweige, so der SPD-Abgeordnete Sturmfels, nur weil ein Gerichtsverfahren gegen einen der vielen Beschuldigten laufe.

Besonders belastet wird Brück durch das Ehepaar G., ehemals Besitzer einer inzwischen in Konkurs gegangenen Baufirma, die für die Stadt Sportanlagen baute. Weil hatte von ihnen über 300.000 Mark erhalten. Das Ehepaar will Brück Ende 1984 darauf aufmerksam gemacht haben, daß es von Abteilungsleiter Weil erpreßt werde. Brück gibt das zwar zu, doch hätten die Unternehmer die von ihm verlangten Beweise zurückgehalten. Falsch, sagt dagegen Ehepaar G., Brück habe die Beweise nie sehen wollen. Gegen Brück spricht auch der Konkursverwalter der Firma G., der im Prozeß gegen Alfons Weil aussagte, er habe zusammen mit den G.s auf Aufforderung aus dem Rathaus eine Ehrenerklärung für Weil formuliert. Als Unterhändler sei der stellvertretende Leiter des Vergabeamtes, Rudolf Munch, aufgetreten. Munch habe nach seinem Eindruck im Auftrag von Brück gehandelt. Auch habe der zweite Entwurf der Ehrenerklärung auf Munchs Anweisung hin direkt im Büro Brück abgegeben werden müssen.

Der Zeuge Munch, gegen den ein Verfahren wegen Strafvereitelung im Amt anhängig ist, erinnert sich vor der 4.Strafkammer an nichts. Auf die Frage, ob er von der Baufirma G., wie andere städtische Bedienstete auch, zu Weihnachten kleine Goldbarren geschenkt bekommen habe, verweigerte er die Aussage. Oberbürgermeister Brück erklärte seinerseits, er habe Munch keinesfalls zum Einholen einer Ehrenerklärung für Weil beauftragt. Wenn der Mann aus dem Vergabeamt dem Konkursverwalter und der Baufirma gegenüber diesen Eindruck erweckt habe, dann habe er eigenmächtig und hinter seinem, Brücks, Rücken gehandelt. Ungeklärt ist ebenfalls, wieviel Sportdezernent Rhein (CDU) von den Bestechern weiß. Er ist seit Jahren mit den Besitzern der ehemaligen Baufirma G. eng befreundet.

Brück ging in der Römer-Sondersitzung auf die Vorwürfe ein, er habe Weil Dank geschuldet und ihn deshalb gedeckt. Es ging um den schnellen Bau von Tennisplätzen im Jahr 1982, in deren Folge Sachbearbeiter Weil zum Abteilungsleiter avancierte. Weil selbst sagte am vorletzten Tag der Beweisaufnahme, er sei Brück angenehm aufgefallen. Der habe viel von seinen Fähigkeiten gehalten und ihm gesagt: „Mensch, Sie haben das richtige Feeling.“ Seine Beförderung habe er auch im Zusammenhang mit dem Bau künftiger Sportstätten und Grünanlagen gesehen, falls Frankfurt den Zuschlag für die Olympiade erhalten werde.

Trotz der Schlammschlacht, die sich Frankfurter Kommunalwahlkampf nennt, ermöglicht die Korruptionsaffäre überraschende Koalitionen. Zwar warf die CDU den Sozialdemokraten Mitte November vor, gewußt zu haben, daß einer ihrer Stadtverordneten rechtskräftig wegen Betrugs zu Lasten der Stadt verurteilt worden war und dies verschwiegen hatte. Der Besitzer einer Tankreinigungsfirma hatte die Stadt um Öl im Wert von einigen zehntausend Mark geprellt. Ausgerechnet Baudezernent Haverkampf (SPD) soll davon gewußt haben. Er ist einer der SPDler, die die CDU übernahm, als sie die Sozialdemokraten vor acht Jahren im Römer ablöste. Die von den Grünen eingebrachte Rücktrittsforderung lehnten SPD und CDU gemeinsam ab.

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