piwik no script img

Unmenschlich-betr.: "Verschärfte Isolationshaft - bis zum Gesinnungswandel", taz vom 12.11.88

betr.: „Verschärfte Isolationshaft - bis zum Gesinnungswandel“, taz vom 12.11.88

Ihr solltet in eurem Interview - Artikel zu den Haftbedingungen nicht so tun, als sei der Versuch zur Gehirnwäsche neu. Viele politische Gefangene haben unter solchen Bedingungen der Einzel- oder Zweierisolation zugebracht, erinnert sei hier nur an Ulrike Meinhof. Es war von Angebinn das Ziel des Staates die Guerillakämpfer entweder psychisch oder physisch zu vernichten, oder doch zumindest in ihrer Gesundheit zu zerstören. Der Versuch ist also nicht eine neue Realität, sondern für die beiden Frauen aus der RAF in Plötzensee ist die Situation neu. Das Konzept exisitert seit 1970.

Dann sollten sich doch vielleicht einmal entlassene ehemalige Guerillakämpfer mit den Beiden darüber auseinandersetzen, daß es nach wie vor in der BRD eine verschwindende Minderheit ist, die sich mit ihrer Politik auseinandersetzen. Da gibt es auch keine neuen Realitäten wie sie Angelika Gooder und Gabriele Rollnick sehen, oder besser sehen wollen. Der Wunsch eines Gedanken ist noch nicht seine Wirklichkeit! Anzuzweifeln ist ebenfalls, daß es der Knastkampf Hungerstreik war, der viele Menschen hier draußen auf die Straßen trieb zum Widerstand. Ebenso ist es unrealistisch anzunehmen, daß es der Guerillakampf war oder ist, der Menschen gegen viele Mißstände protestieren läßt. Dann wäre auch mal interessant zu erfahren, was die Beiden unter Widerstand verstehen. Die paar umgesägten Strommasten? Die Massendemonstrationen? Oder ihre eigenen Aktionen im Knast und draußen? Oder gar alles zusammen? Dann sollte sie sich endlich einmal klar machen, daß symbolische Aktionen keinen Widerstand bedeuten.

Ganz und gar von der gesellschaftlichen Realität weg ist die Einschätzung, daß es noch immer eine Stadtguerilla gäbe! Wobei dann noch drüber diskutiert werden müßte, ob es sie je gab. Denn zur Stadt- oder Metropolenguerilla gehört mehr als mal ein Bombenanschlag oder ein Attentat in technischer Perfektion. Und es gehört anderes dazu als Massenfeindlichkeit, denn die RAF war stets eine massenfeindliche „Organisation“.

Ganz unmöglich finde ich die Aussagen zur Vielfältigkeit der Persönlichkeiten innerhalb des Kollektivs, denn die Tatsache ist doch wohl, daß es stets darum ging: lernen heißt sich befähigen als Guerilla zu kämpfen. Nach den vorherigen Aussagen der Beiden in dem Interview geht es dann doch wohl auch heute noch genau darum. Persönlichkeit definiert als Guerilla. Sowie auch Leben als solches als Kampf definiert wird. Nur wer als Guerilla kämpft, der lebt wirklich. Das ganze ist so unmenschlich wie sie unmenschlich behandelt werden.

Dana Kirke, Berlin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen