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Miklos Nemeth

Ungarns neuer Ministerpräsident: Mann des Übergangs  ■ P O R T R A I T

Von Roland Hofwiler

Der 41jährige Miklos Nemeth - ein farbloser Politiker, erst vor einem Jahr ins ungarische Politbüro aufgestiegen - löst Karoly Grosz als Ministerpräsidenten des Landes ab. Dies bestätigte gestern formell das Budapester Parlament, nachdem bereits am Mittwoch das ZK der ungarischen Arbeiterpartei Nemeth als Grosz-Nachfolger nominiert hatte. Somit sind in Ungarn ähnlich wie im reformfreudigen Polen - aber anders als in Rumänien und der DDR - die höchsten Staats- und Parteipositionen personell getrennt.

Böse Zungen behaupten aber, Parteichef Grosz - der zugleich auch „Ministerpräsident war und die Machtverschiebung selbst angestrengt hatte - habe mit der Ämterteilung seine Macht vor etwaigen „Palastrevolten“ schützen wollen. Vor allem die offen auftretende Fraktion der „Reformkommunisten“ um Imre Pozsgay, der selbst bei den unzähligen Oppositionsbewegungen des Landes geschätzt wird, tritt offen gegen die derzeitige Parteiführung auf und fordert noch weitergehende Reformen als sie die eh schon experimentierfreudigen Ungarn anstreben.

Während Pozsgay offen von der Notwendigkeit eines Mehrparteiensystems redet, wollen Grosz und sein Schulfreund Nemeth zwar umwälzende wirtschaftliche Erneuerungen, aber kein Rütteln an der Macht der alleinregierenden Kommunistischen Partei. Jedoch sind beide Spitzenfunktionäre entschiedene Anhänger der Perestroika; und die ungarische Bevölkerung sieht in der neuen Machtverteilung keine Gefahr für die eingeleiteten Reformen.

Während Pozsgay vor einigen Tagen eine Neubewertung der Ereignisse forderte, die 1968 zum Einmarsch auch ungarischer Truppen zur Niederschlagung des „Prager Frühlings“ führten, fürchten die beiden höchsten Parteifunktionäre jegliche Diskussion, die die Partei „verleumderisch darstelle“ (Nemeth). Aus diesem Grunde erwarten die Magyaren von der neuen Machtverteilung keine umwälzenden Erneuerungen, fürchten aber ebensowenig einen Rückfall in reformbremsende Zeiten. Denn trotz aller Kritik ist Nemeth als Vertreter eines liberalen Wirtschaftskurses und Befürworter einer Annäherung an die Europäische Gemeinschaft bekannt. Ob es ihm aber gelingen kann, den rapide sinkenden Lebensstandard gerade der einfachen Arbeiter und Beamten zu bremsen, bezweifelt die Mehrzahl der Ungarn.

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