Ministerkandidatin war in der NSDAP

■ Unionsfrauen wollen Roswitha Verhülsdonk zur Nachfolgerin von Ministerin Süssmuth machen: Die Kandidatin war mit 17 in der Nazi-Partei / Verhülsdonk verglich die Friedensbewegung vor Jahren mit dem Nazi-Terror / Das 218-Beratungsgesetz ist für sie „längst überfällig“

Berlin (taz) - Die Wunschkandidatin der CDU/CSU-Frauengruppe im Bundestag für die Süssmuth-Nachfolge, Roswitha Verhülsdonk, beruft sich gerne auf ihre „frühe Erfahrung der Unfreiheit in einem totalitären Regime“ - tatsächlich hatte die 61jährige bereits mit 17 Jahren das Mitgliedsbuch der NDSAP: Nummer 9 690 514.

Zur Auseinandersetzung um die politische Vergangenheit von Roswitha Verhülsdonk kam es erstmalig in der Nachrüstungsdebatte im Herbst 1983. Im Bundestag verglich sie Aktionen der Friedensbewegung mit dem Nazi-Terror: „Was wir Abgeordneten und unsere Familien, was die Frauen meiner Kollegen und ihre Kinder in den letzten Wochen an Psychoterror erlebt haben, erinnert mich persönlich lebhaft an eigene Erlebnisse aus meiner Kindheit im Dritten Reich.“ In ihren Selbstdarstellungen betonte sie, daß ihr Vater Mitglied der Zentrumspartei gewesen und unter den Nazis als Lehrer „strafversetzt“ und mehrfach verhört worden sei. Nach ihrem Auftritt im Bundestag meldeten sich aus dem Koblenzer Raum jedoch Leute zu Wort, die sie aus ihrer Jugend kannten und ihre Darstellungen heftig bestritten. So veröffentlichte die Lokalzeitung 'Koblenzer Schängel‘ den Brief einer Mitschülerin, der CDU-Politikerin Marianne Görgen, die in der gleichen Straße wie Roswitha Verhülsdonk (geb. Woll) aufgewachsen war. Ihr Vater, Rudolf Woll, sei 1939 der NSDAP beigetreten, von einer Verfolgung der Familie durch die Nazis sei ihr nichts bekannt. Die Versetzung an eine (größere) Schule sei nicht als Strafversetzung, sondern als ein Aufstieg zu werten. Strafversetzungen seien üblicherweise in die Ostgebiete erfolgt, nicht in einen Nachbarort.

In diesem Zusammenhang wurde bekannt, daß Roswitha Verhülsdonk noch am 20.April 1944, zum „Führer„-Geburtstag, knapp 17jährig Mitglied der NSDAP wurde. Mitglieder von „Hitlerjugend“ und „Bund deutscher Mädchen“ wurden damals ausgesucht, schon als Jugendliche Mitglied der Nazi-Partei zu werden, um sie besonders zu fördern. In Stellungnahmen bestritt Roswitha Verhülsdonk zwar nicht das Faktum dieser Mitgliedschaft. Sie verwahrte sich aber dagegen, etwas davon gewußt zu haben: Ohne ihr Wissen sei sie in Koblenz zusammen mit ihrem ganzen Jahrgang (500 Jugendliche, geboren 1927) in die NSDAP eingetragen worden. Die Amerikaner hätten nach dem Krieg alle diese Jugendlichen bei der sogenannten Entnazifizierung als „nicht betroffen“ eingestuft.

Nach einer Anordnung der NSDAP vom Januar 1944 (Reichsverfügungsblatt der NSDAP, Ausgabe A) konnten auch Angehörige des Jahrgangs 1927 in die NSDAP aufgenommen werden. Danach hatte der Reichsschatzmeister der Partei, Fortsetzung Seite 2

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Schwarz, mit dem Leiter der Partei-Kanzlei, Bormann, die Kriterien für die Aufnahme festgelegt: Der Aufnahmeantrag sei von den Jungen und Mädchen eigenhändig zu unterschreiben und es sei eine Bestätigung beizufügen, daß das neue Mitglied freiwillig der Partei beitrete und sich als zuverlässiger Nationalsozialist erwiesen habe.

Eine Stellungnahme von Roswitha Verhülsdonk dazu war bis Redaktionsschluß nicht zu erhalten.

Auch in der Frauenpolitik ist zu erwarten, daß Verhülsdonk dem Rollback in der Union nichts entgegenzusetzen hat. Die Kandidatin ist Vertreterin der traditionellen CDU -Frauenpolitik. Ihre politischen Eckpfeiler sind der Schutz der Familie und die Orientierung an Mutterschaft. Die überzeugte Katholikin und Mutter von zwei Kindern, die im Bundestagshandbuch den Beruf „Hausfrau“ angibt, ist dezidierte Verfechterin des Beratungsgesetz zum Paragraph 218: Das bezeichnete sie als „längst überfällig“. Die Abschwächungen, die von der FDP durchgesetzt wurden, gehen ihr bereits zu weit. Sie warf der FDP vor, sich aus den Koalitionsvereinbarungen „davonstehlen“ zu wollen.

Daß ihr die werdenden Mütter besonders am Herzen liegen, zeigte eine ihrer ersten Initiativen im Bundestag, in den sie 1972 einzgeogen war. Bereits zu diesem Zeitpunkt regte sie eine „Stiftung für Mütter in Not“ an, um Abtreibungen zu verhindern.G. Schöller/H. Lukoschat