: „Noch rechter als der rechteste Beitrag“
■ Nach dem Abdruck eines 'uz'-Artikels rechtfertigt das 'Neue Deutschland‘ jetzt mit einem eigenen Beitrag das 'Sputnik'-Verbot / Otto Reinhold, SED-Funktionär und Mitautor des SPD-SED-Grundsatzpapiers, wirft 'Sputnik‘ in Bochum Relativierung der Kriegsschuld Hitlers vor
Berlin/Bochum (taz) - Während einer Podiumsdiskussion in Bochum ging Otto Reinhold, Vorsitzender der DDR-Kommission, die mit der SPD das gemeinsame „Grundsatzpapier“ erarbeitet hatte, auf die Frage des 'Sputnik'-Verbots ein. Es sei deshalb erfolgt, weil im 'Sputnik‘ Beiträge zur Kriegsschuldfrage erschienen seien, im Tenor „noch rechter als der rechteste Beitrag“ (Reinhold) im Zusammenhang mit der sogenannten Historikerdebatte in der BRD. Eine Relativierung der Kriegsschuld Hitlers werde die DDR aber niemals zulassen. Das sei auch nicht im Interesse der Entwicklung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der DDR.
Nachdem das SED-Zentralorgan 'Neues Deutschland‘ am Donnerstag mit dem Nachdruck eines Artikels der DKP-Zeitung 'uz‘ auf das Verbot der sowjetischen Zeitschrift 'Sputnik‘ reagierte, brachte sie gestern unter dem Titel „Gegen die Entstellung der historischen Wahrheit“ einen eigenen Beitrag zum Thema. Wir dokumentieren den Text in Auszügen:
Am 19.November wurde die Zeitschrift 'Sputnik‘ von der Postzeitungsliste gestrichen. Begründung: Sie leistet keinen Beitrag zur Festigung der deutsch-sowjetischen Freundschaft. Sie bringt „statt dessen verzerrende Beiträge zur Geschichte“. Das ist leider wahr. Und es betrifft nicht nur ein Heft. Die Verzerrung der Geschichte der Sowjetunion und der KPdSU, auch der Geschichte anderer Länder und ihrer revolutionären Parteien, ist sozusagen Linie beim 'Sputnik‘.
Das geht so weit, daß man zu lesen bekommt: „Hätte es ohne Stalin Hitler gegeben?“ - „Stalin ebnete Hitler den Weg.“ Ja, noch schlimmer: „Es stellte sich heraus, daß Stalin im Grunde genommen eine Marionette Hitlers war.“ So etwas kannte man, mit Verlaub gesagt, bislang nur von gewissenlosen Reinwäschern des Faschismus im Westen. Verzerrungen, die für alle, die diese Zeit miterlebten oder die, wie bei uns, im Geist des Antifaschismus erzogen sind und die historische Wahrheit über den Faschismus erfuhren, unbegreiflich sind. (...)
In der Antihitlerkoalition standen, gemeinsam mit Sozialdemokraten, Christen und anderen humanistischen Kräften bis ins Militär hinein - die deutschen Kommunisten. Sie brachten im antifaschistischen Widerstand die größten Opfer. Aber der 'Sputnik‘ behauptet: „Die deutschen Kommunisten wagten es nicht, sich mit den Sozialdemokraten im Kampf gegen die Nazis zu vereinigen.“ Sie „gehorchten“ im Zusammenhang mit dem deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt von 1939 - Stalin, der „befahl, jede antifaschistische Propaganda sofort einzustellen. (...)
Der 'Sputnik‘ verzerrt nicht nur die Geschichte der Sowjetunion und der KPdSU, sondern auch die der KPD. Das Blatt, sagen wir es offen, verunglimpft die deutschen Kommunisten und ihre Verbündeten, die von 1918 an, über 1933 und 1941 hinaus für ein neues Deutschland der Demokratie und des Sozialismus kämpften, und deren Kampf seine Erfüllung fand mit der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik.
Geradeheraus: In unseren antifaschistischen, sozialistischen Staat ist die „Entschuldigung“, die Reinwaschung Hitlers, des Faschismus und seiner Verbrechen, ist deren „Erklärung“ mit irgendwelchen Erfindungen - eben der Gleichstellung Hitlers mit Stalin - unzulässig. Solche Darstellungen stehen in Widerspruch zur Verfassung der DDR. (...)
Freilich muß man wissen: Der 'Sputnik‘ ist kein Organ der KPdSU. Die von der Redaktion aus allen möglichen und unmöglichen Beiträgen herausgepickten „Geschichtsdarstellungen“ stehen in krassem Widerspruch zu dem, was Michail Gorbatschow anläßlich des 70.Jahrestages der Oktoberrevolution über die Geschichte der KPdSU und die Sowjetunion sagte.
Sie stehen, für uns, vor allem in Widerspruch zur deutsch -sowjetischen Freundschaft, die hierzulande Verfassungsgrundsatz, Staatspolitik und Herzenssache von Millionen ist. In Widerspruch zu Inhalt, Sinn und Wort beim jüngsten Treffen zwischen Erich Honecker und Michail Gorbatschow in Moskau. In Widerspruch zu unserer Grundüberzeugung.
Verzerrte Darstellungen der geschichtlichen Leistung des Sowjetvolkes, verbreitet in der DDR, sind für uns unzumutbar um unserer Freundschaft mit der Sowjetunion willen.
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