: Grüner Bildungsbürger
■ Betr.: „Abschied von den Ideen des Jahres 1918“ (taz-Bremen vom 22.11.88) von Ralf Fücks
Geschichtsbetrachtung birgt mindestens zwei Perspektiven: 1) Die eigene Person identifiziert sich mit bestimmten historischen Ereignissen. 2) Die eigene Person identifiziert sich nicht mit bestimmten Ereignissen.
Ralf Fücks hat in seinem Artikel eine weitere Möglichkeit offeriert: Die eigene Person entwickelt ein konkurrierendes Verhältnis zu bestimmten historischen Ereignissen.
„Der Sozialismus hat eben keine Utopie von „anders arbeiten, anders leben“ hervorgebracht. Vielmehr bildete sich zwischen Kapital und Arbeit eine geheime Allianz des „industriellen Fortschritts“ heraus, ökologischer Raubbau inclusive.“ Diese zentrale Kritik am Sozialismus ausgerechnet in einem Artikel unterzubringen, der sich zur blutig niedergeschlagenen Räterepublik äußern will, ist schon ein Tritt ins historische Fettnäpfchen. Die Räterepublik ist ja wohl nicht an einem ideologischen Defizit langsam dahingestorben, sondern da wurde eine soziale Bewegung mit Brachialgewalt zum Schweigen gebracht.
Nach dieser zweckdienlichen Form der Geschichtsbetrachtung gehts im selben Stil auf einen neuen Höhepunkt zu. Der grüne Bildungsbürger als, wie es heißt, Angehöriger einer Gruppe, die eben nicht zufällig außerhalb
des „unmittelbaren Produktionsprozesses“ stand, tritt auf den historischen Plan.
Spätestens von diesem Zeitpunkt an leistet der Artikel echte Überzeugungsarbeit. Alle Macht den Räten, das mußte einmal gesagt werden, bleibt Geschichte. Basisdemokratie ist angesagt. Diese aber gerät zum instrumentell-akademischen Konstrukt, wenn, wie in diesem Artikel, die soziale Frage zum Nebenwiderspruch erklärt wird.
Helmut Oppermann
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen