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Nehmt den Deckel runter!

■ Was das Elend der Bremer Sozialdemokratie mit dem Dampfdrucktopfdeckel gemein hat, und warum kein Schritt in die falsche Richtung noch keiner in die richtige ist

Es muß endlich wieder ein Deckel auf den Topf! Schluß muß sein mit den zerfleischenden Diskussionen zwischen Partei und Regierung. Daß Klaus Wedemeier es geschafft hat, das Deckelchen so zu biegen, daß nur noch der Unmut des Gewerkschaftsflügels drunter rausblubbert, das hat ihm die „standing ovations“ des Parteitags eingebracht. Sie seien ihm so gegönnt wie ein bißchen Ausschlafen zwischen „Befreiungsschlag“ und anstehender „Großoffensive“.

Beim Topfe aber ist es so, daß sich, je dichter der Deckel schließt, desto mehr Druck im Innern staut. Was bei den ganz besonders dichten Dampfkochtopfdeckeln dazu führt, daß sie explosionsartig zur Decke fahren, wenn fürs Druckablassen nicht gesorgt wird. Die Bremer SPD funktioniert just so: von Gebrodel in der Parteisuppe hört, vom gesellschaftlichen Feuer darunter sieht man nie was, bis plötzlich der Deckel in die Luft fliegt. Das letzte Mal, als Hans Koschnik plötzlich das Land nicht mehr regieren wollte, das unter seiner Ägide über Schuldenberg und Wirtschaftskrise zu schmoren begonnen hatte. Danach wieder: Deckel drauf, die Arbeitslosigkeit stieg, in Bremen gewann die SPD mit Klaus Wedemeier im „Langeweile„wahlkampf die absolute Mehrheit wieder.

Hätte nicht ein taz-Artikel zu Gerede und Untersuchungsausschuß über den korruptiven St.-Jürgen-Filz geführt, wären nicht die Gladbecker Geiselnehmer durch Bremen gekommen, dann würde an der Parteibasis noch immer unhörbar drüber gemurrt, daß der Bürgermeister ihr basisfern und feudalmanieristisch vorkommt und daß das wenige Geld in seinen Autotelefonen versickert und daß die oben die unten längst vergessen haben, aber es gäbe keine Regierungskrise.

Nicht die Partei hat den Unmut nach oben transportiert und schon

gar nicht der Gewerkschafts flügel, sondern die Berichterstattung über die Affären hat ihn in simple Muster gefaßt, unter denen sich dann auch etliche Unterbezirkler wiederfanden: daß die Genossen da oben öffentliche Gelder verkonsumieren und, wenn's rauskommt wie bei Galla, nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Daß die Polizei nicht die Opfer schützte, sondern zwanghaft die Täter jagte und das dann noch ungeschickt.

Klaus Wedemeiers Antwort, die versuchte Senatsumbildung, war zu schlau und zu dumm gleichermaßen. Zu dumm, weil sie die Krise auf der Ebene des „Köpfewechsels“ anging, eine Dummheit, die er von den Presse- und Konkurrenzparteistrategen übernahm. Dem berechtigten Unmut über „die da oben“ wird zwar mit gründlicher Untersuchung und auch dem Zur-Verantwortung-Ziehen direkt Verantwortlicher wie Galla gedient, es löst aber überhaupt nichts, Sündenböcke zu schlachten, wenn die Strukturen des Genossenversorgens und der fehlgeleiteten polizeilichen Jägerinstinkte dadurch munter fortbestehen.

Zu schlau war Klaus Wedemeier, weil er den Wind, der eigentlich ihm selber galt, umlenken wollte, damit er ein paar Leute von den Plätzen fegte (wie Brückner vom Parteivorsitz und Dittbrenner vom Fraktionsvorsitz in den Senat) und ihn gleich noch ein paar andere Probleme miterledigen ließ, wie die Ohnmacht der Umweltsenatorin gegenüber der Baubürokratie.

Unterm Strich folgte alles genau der Logik, die die Ursache der Krise ist: Daß die da oben unter demokratischen Vorwänden die schmaler gewordenen Ressourcen unter sich versickern lassen und daß die ökologischen Ziele die ersten sind, die dabei übern Deister gehen.

Die Partei hat den Regierungschef am Schritt in die falsche

Richtung gehindert. Der Schritt in die richtige steht aber noch aus. Oder besser noch deren zwei. Der eine würde damit beginnen, daß „der Parteitag“ nicht wie auf Knopfdruck zu schwatzen oder pinkeln zu gehen beginnt, sowie eine Frau hinter dem Mikrophon auftaucht, daß er die Kindergartenplätze nicht gerade dann behandeln möchte, wenn alles über Herrn Sakuths Lebenslauf entschlafen ist, wenn die Partei

durchlässig würde für Stimmen von außen und unten.

Der andere notwendige Schritt würde bedeuten, daß der Senat und sein Primus sich aus ihrem Gehäuse raustrauen und sich ganz offiziell und ernstlich - bei denen da unten sehen lassen und in einer Sprache mit ihnen reden, die Probleme nicht versteckt, sondern eröffnet. Kurz gesagt: nehmt den Deckel wieder runter!

Uta Stolle

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