: ANGST VOR PUBLIKUM?
■ Klassenvorspiel in der HdK
Musikalität bewiesen haben die drei Solisten aus der Violinklasse von Professor Thomas Brandis der Hochschule der Künste auf ihrem Vortragsabend am Samstag.
„Viele spielen zu Hause hervorragend, können dies aber nicht vor Leuten im Konzertsaal.“ Darum veranstaltet der Lehrer regelmäßig Klassenvorspiele seiner Schüler im Rahmen der Hochschulkonzerte. Er selbst war 22 Jahre Konzertmeister des Berliner Philharmonischen Orchesters und ist heute, außer durch seine Lehrtätigkeit, vor allem als erster Geiger des Brandisquartetts bekannt, das man zuletzt anläßlich der Veranstaltung Leben ohne Militär - Perspektive oder Utopie? in der Hochschule hören konnte. Seiner Meinung nach haben die jungen Menschen zu wenig Gelegenheit, mit ihren Fähigkeiten vor ein Publikum zu treten.
Obwohl der Abend nach Meinung seiner Assistentin gut besucht war und die Konzerte seiner Schüler inzwischen von einem festen Publikumsstamm frequentiert werden, war der Kammermusiksaal in der Fasanenstraße nicht voll, und es ist bedauerlich, daß die regelmäßig stattfindenden, kostenlosen Musikabende aller Instrumental- und Gesangsklassen nicht größere Aufmerksamkeit erregen.
Ute Graulich, ungefähr in der Mitte ihres etwa zehnsemestrigen Studiums stehend, brachte das Rondo A-Dur op.posth. für Solovioline und Streichquartett zu Gehör. Besonders die verständige Kommunikation zwischen den Mitgliedern des gut eingespielten Quartetts (Kathrin Schlossberger und Cornelia Brandis, Violine, Sabrina Briscik, Viola, und Guido Ruhland, Celloklasse Prof.Finke) ermöglichten der Solisten eine einfallsreiche Gestaltung des Themas. In gleicher Weise einfühlsam und musikalisch ausgeglichen war die Klavierbegleitung Radegund Stoecklins durch Wolfgang Kühnl beim ersten Satz von Brahms Violinkonzerts in D-Dur op.71. Der überzeugend dargebrachte musikalische Einsatz und das warme Herausarbeiten des Werkcharakters überdeckten die technischen Schwierigkeiten und die Intonationsprobleme der Solistin.
Der Höhepunkt des Abends war ohne Zweifel die meisterhafte Interpretation des Violinkonzerts d-Moll op.47 von Sibelius durch Johannes Plewa, begleitet von Prof. Michael Grandt. Ausgezeichnete Technik und eine eindrucksvolle Klangentfaltung, unterstützt durch das ausgereifte Zusammenspiel, übermittelten dem Publikum in überzeugender Weise den romantischen Charakter des finnischen Werkes. Die phantasievolle Figuration und der ausdrucksvolle Ton, unterbrochen durch ein zu verzeihendes Aussetzen, sowie der werkgerechte Gesamteindruck der Darbietung wurden entsprechend begeistert aufgenommen. Nach Auskunft seines Lehrers hat Johannes Plewa gute Chancen, eine attraktive Orchesterstelle zu bekommen, wenn er demnächst sein Studium abschließt.
Axel Körner
Ein Programm mit allen Konzertterminen der HdK liegt beim Pförtner im Hauptgebäude aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen