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Zauberwort Substitution

Doping bleibt weiterhin in aller Munde und Vene  ■  PRESS-SCHLAG

Kaum war der sportkriminelle Gehalt der Urinprobe des Ben Johnson bei den Olympischen Spielen in Seoul publik geworden, begann die Zeit der vollmundigen Erklärungen. Alle - Funktionäre, Trainer, Athleten - waren sich einig: Doping ist ein Grundübel des modernen Sports und gehört heftig bekämpft. Ein oft geübtes Ritual der Lippenbekenntnisse, die nichts kosten und in der Regel bald wieder vergessen sind.

Doch Ben Johnson war zu groß, als das man ihn einfach hätte unter den Teppich kehren können. Die Diskussion wollte nicht verstummen, die Forderung nach Konsequenzen ebensowenig. Die notorischen Verharmloser traten auf den Plan, Professor Liesen etwa, jener Sportmediziner, der ständig mit der Spritze hinter Fußballern, Hockeyspielern und Wintersportlern her ist, und der in einer vom Magazin „Sports“ dokumentierten Diskussionsrunde ein erstaunliches Maß an Skrupellosigkeit offenbarte. „Substitution“ heißt das Zauberwort, künstliche Ausgleichung von bei hartem Training aufgetretenen Mängeln durch die großzügige Verabreichung von Vitaminen, Mineralien, homöopathischen Mitteln und, wenn's geht, Hormonen wie etwa Testosteron. Die Konsequenzen bejubelt Liesen emphatisch mit einem Satz, den man sich auf der Zunge zergehen lassen muß: „Ich bin einfach sportverrückt, und es ist ein tolles Gefühl, wenn man dabeisteht und einer die Goldmedaille erhält, der eigentlich gar nicht soviel Talent hat und trotzdem siegt.“

Auf der anderen Seite meldete sich das Nationale Olympische Komitee (NOK) mit seiner Forderung nach „sportlichen Spitzenleistungen“ und seiner Verdammung der „Leistungsbeeinflussung durch unerlaubte pharmakologische Maßnahmen“ zu Wort, in der heutigen Zeit offenkundig ein Widerspruch in sich, wie eilfertig auf den Plan getretene Spitzensportler bewiesen. Das NOK beließ es nämlich nicht bei Appellen, sondern beschloß, „unangemeldete Kontrollen außerhalb der Wettkämpfe“ durchzuführen, sprich, im Training.

Die Folge war Zorn bei den Athleten. Kanut Uli Eicke sah die „Gefahr der Wettbewerbsverzerrung“ und Dreispringer Bouschen brachte das Problem auf den Punkt: Wenn in der Bundesrepublik die „trainingsunterstützenden Maßnahmen“ wegfielen, in anderen Ländern aber „normal“ weitergearbeitet werde, hätte dies empfindliche Folgen für den hiesigen Sportler: „Er kann die gesetzte Norm nicht mehr erfüllen. Er wird nicht nominiert und verliert damit die Faszination Olympia. Er fällt aus der Förderung und verliert seinen Vertrag mit adidas oder Puma.“ In drastischere Worte faßte Diskuswerfer Rolf Danneberg seine Kritik an den Funktionären: „Die reden wie die Blinden von der Farbe.“

Doch während Innenminister Zimmermann, unbehelligt von jeglicher Versuchung, mal einen klugen Gedanken zu fassen, eine „noch mehr an dem Erfolg ausgerichtete Förderung“ fordert, scheint zumindest die Einführung der Dopingkontrollen im Training international voranzuschreiten. Bei der 2. Sportminister-Konferenz der UNESCO wurde am letzten Donnerstag in Moskau eine Antidoping-Charta verabschiedet, in der sich die Regierungen der Länder verpflichteten, die Verbände bei dem Kampf gegen das Doping zu unterstützen. Ein wesentlich konkreterer Beschluß wurde am Rande gefaßt. Die UdSSR und die USA vereinbarten, daß ihre Spitzensportler zweimal von Experten des jeweils anderen Landes in der Trainingsphase kontrolliert werden dürfen. Somit hat auch die Gegenseite ein neues Zauberwort: Substitution der Dopingfahnder.

Matti

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