: Bauernopfer in Südkorea
■ Präsident Roh Tae Woo, Parteifreund des Ex-Diktators Chun, kündigt große Kabinettsumbildung an Bitte um Vergebung für Chun / Opposition fordert bei Demonstrationen Bestrafung des Ex-Diktators
Seoul (ap/afp) - Südkoreas Opposition läßt sich auch von der zweiten Fernsehinszenierung zugunsten des Ex-Diktators Chun Doo Hwan nicht beeindrucken. Präsident Roh Tae Woo hatte am Samstag in einer landesweiten Übertragung um Vergebung für seinen Amtsvorgänger gebeten, nachdem dieser sich bereits am Mittwoch via Fernsehen für die Vergehen während seiner Ägide entschuldigt und anschließend zur „inneren Emigration“ in ein Kloster zurückgezogen hatte.
Bei eisiger Kälte forderten am Samstag rund 12.000 Menschen in Seoul und acht Provinzhauptstädten, daß Chun inhaftiert und vor Gericht gestellt werden solle. Zwischen den DemonstrantInnen und mehreren tausend Polizisten kam es erneut zu blutigen Auseinandersetzungen. Auch die großen Oppositionsparteien wandten sich gegen die von Roh geforderte Einstellung der Chun anhängigen Strafverfahren. Roh, der wie Chun General war und seit Februar im Amt ist, sagte, die Politik eines führenden Staatspräsidenten einschließlich dessen Fehlleistungen dürfe nicht mit den Handlungen einer Einzelperson gleichgesetzt werden. „Da er selbst tief bereut hat, wie können wir dann allein wegen der vielen Fehler in der Vergangenheit den Stab über den früheren Staatspräsidenten brechen?“, wandte er sich an sein Publikum. Entgegen Spekulationen der Presse proklamierte Roh jedoch keine Amnestie für seinen Parteifreund und ehemaligen Klassenkameraden Chun. Um einen klaren Bruch zur vorherigen Regierung zu vollziehen, kündigte er umfangreiche Umbildungen in Kabinett und Regierungspartei an. Den Angaben zufolge sollen Innenminister Lee Chun-Koo und Verteidigungsminister Oh Jah-Bok, beide Ex-Generäle, über die Klinge springen, ebenso wie Justizminister Chung Hae -Chang, der bereits unter Chun dieses Amt bekleidete. Nach Presseinformationen sollen rund zehn hohe Funktionäre ihr Amt verlieren.
Für alle Opfer politischer Verfolgungen der letzten Jahre stellte Präsident Roh zudem Entschädigungen in Aussicht, unter anderem für die Opfer der blutigen Niederschlagung des Aufstands von Kwangju im Jahr 1980, bei der nach offizieller Bilanz 200, nach inoffiziellen Schätzungen 2.000 Menschen ums Leben gekommen waren. Anfang der achtziger Jahre starben in Umerziehungslagern weitere 50 Menschen an den Folgen disziplinarischer Maßnahmen, die Opposition spricht gar von 200 Opfern. Gesetzesänderungen sollen in Zukunft ähnliche Mißstände unmöglich machen, sagte der Präsident und kündigte eine Amnestie für politsche Gefangene an. Nach Angaben der Opposition sitzen derzeit 600 „Gewissenshäftlinge“ wegen ihrer Teilnahme am Kampf für Demokratie in den Gefängnissen. Gleichzeitig warnte Roh jedoch vor gewaltsamen Demonstrationen und Streiks. Gewalttätige Aktivitäten radikaler Studenten und Gewerkschaftler würden nicht geduldet, da sie eine Gefahr für die Demokratie seien.
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