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Hochzeitsparty im Osten

■ Dort wie hier: Die "Szene" trudelt erst nach 10 Uhr ein - vier Stunden vor Todesschluß

„Let's go east!“ Schnell noch am Intershop die Flasche Mumm besorgt, und ab über die Grenze. Es gilt heute abend das Brautpaar zu feiern, das zwecks Ausreisegenehmigung zueinander gefunden hat. Hochzeit als völkerverbindendes Instrument. Schon im Bus Richtung Prenzlauer Berg wird mir klar, da sind noch andere Westler in Sachen Party unterwegs. Oder besser gesagt - beim Aussteigen haben wir plötzlich alle das gleiche Ziel: die Fete im obersten Stock. Das Dutzend Leute, das sich durch die Eingangstür quetscht, ist überrascht. Noch überhaupt nix los hier! Hüben wie drüben immer dasselbe, vor zehn läßt sich die „Szene“ nicht blicken. So sind die Grenzgänger erstmal unter sich und zischen die ersten Biere weg.

Natürlich quetschen sich alle Leute in die Küche. Natürlich deshalb, weil das auf jeder Fete so ist. So ist frau den Getränken am nächsten, und mit Argusaugen schielt jeder nach dem Sekt, der wegen defekten Kühlschranks unterm laufenden Wasserhahn gekühlt wird. Ansonsten gibt's noch Berliner Pilsener vom VEB „Hop fen und Malz verloren“. Das schmeckt genauso fad wie Kindl, nur die Flaschen sind handlicher.

Wein gibt's auch: bulgarischen. Der hat wiederum die gleiche Wirkung wie westlicher Fetenwein Marke „Väng de Päng“. Er knallt ins Hirn. „Hauptsache es törnt“ gilt eben auch für östli che Happenings. Die Stimmung steigt, der Flaschenpegel sinkt, und jetzt wollen alle das Brautpaar sich küssen sehen. Igitt! Sie tun's aber nicht, weil, sie mögen sich nicht gerade besonders. Ein Vorteil von Zweckehen.

Bald ist die letzte Flasche geleert, und einer kommt auf die Idee, den Westlern ihre Ostknete abzunehmen. Davon soll in der Eckkneipe der Nachschub besorgt werden. Der kommt dann schließlich kurz vor zwölf, gerade rechtzeitig, um den Reisepaßgereisten die Türklinke in die Hand zu geben. Ob das getimed ist? Die Reihen lichten sich jedenfalls beträchtlich, so daß der frische Alk wohl eine ganze Weile halten wird.

Die Uhr geht auf zwei zu, und ich bin dem volkseigenen „Flugbenzin“ verfallen: Gin! Mit Sozialisten-coke und Tonic gemixt, kriegt die Flüssigkeit sogar Geschmack, nach dem Motto: „Nur nicht an morgen denken.“

Mittlerweile stört auch die permanente Suche nach dem „richtigen“ Radiosender nicht mehr. Per Slalom um Nachrichten und andere Störungen sorgt jeder der zwanzig DJs - soviele Leute sind ungefähr noch da - dafür, daß die Charts rauf und runter dudeln. AFN oder Rias, das ist hier die Frage. Kurz vor zwei Uhr, ich habe absolut keine Lust zu gehen. Aber es hilft alles nichts. Zu spätes Ausreisen kostet 100 Märker West und ein langes Gespräch an der Grenze.

Natürlich fährt um diese Zeit schon überhaupt kein Taxi mehr, und wir zwei übriggebliebenen Westler versuchen ein Auto anzuhalten. Der Schrei „Valuta“ hilft dabei auch jetzt, und per Trabi geht's in Windeseile zum Grenzübergang. Um Punkt zwei sind wir auf der anderen Seite. Da stehen unsere Fahrräder.

Während der Fahrt nach Hause reden wir über die nächste Fete, die diesmal auf Westgebiet steigen soll. Der Anlaß: Die Scheidung!

Christine Berger

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