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„Einsatz null, Risiko null, Gewinn: eine Million“

■ Antes-Untersuchungsausschuß zog Bilanz zum Berliner Sumpf / Von Eva Schweitzer

Ein Berg Akten blieb von dem größten Bauskandal der Berliner Nachkriegsgeschichte. In drei Jahren wälzte der Untersuchungsausschuß des Abgeordnetenhauses 230.000 Blatt Aktien, hörte 31 Zeugen in 967 Stunden und versuchte, Licht hinter den Abrechnungsdschungel von 36 Bauprojekten zu bringen. Geschafft hat man es bei zweien. Ähnlich mager sieht die Bilanz der Urteile aus: 946 Ermittlungen gegen Personen führten zu 21 Verurteilungen. Der Diepgen-Senat sitzt fester denn je im Sattel.

Die Strukturen im Baubereich produzieren die Skandale - auf dieses Fazit konnten sich alle vier Fraktionen des Abgeordnetenhauses einigen, die gestern den Bericht aus dem Antes-Untersuchungsausschuß vorlegten. Und: es sollte einen weiteren Ausschuß in der nächsten Legislaturperiode geben. Damit waren die Gemeinsamkeiten auch schon vorbei. Während die CDU lediglich Probleme benannte, forderte die Al Konsequenzen. Nur zwei von 35 strittigen Bauprojekten wurden untersucht. Dazu kommt noch der Komplex Rudower Felder (siehe taz vom Samstag). Die Verbindungen zum kriminellen Milieu habe man nicht klären können, meinte FDP-Vertreter Biederbick. „Der Berliner Sumpf ist noch nicht trockengelegt,“ meinte der SPD-Vertreter im Ausschuß, Gerhard Schneider.

„Berliner Sumpf“ - unter diesem Namen ging der größte Bauskandal in die Berliner Nachkriegsgeschichte ein. Angefangen hatte es mit der Verhaftung des Charlottenburger Baustadtrates Wolfgang Antes (CDU) im November 1985. Antes hatte Bestechungsgelder in Höhe von mindestens 670.000 Mark entgegengenommen, dafür Baugenehmigungen erteilt und Grundstücke verschoben. Unter anderem versuchte er an den Wuppertaler Gebrauchtwagenhändler Putsch 2.008 landeseigene Wohnungen für 4.000 Mark pro Stück hinter dem Rücken des Finanzstadtrates zu verschleudern.

Ende 1985 beschlagnahmte die Kripo eine Kladde des Baulöwen Kurt Franke. Darin waren Zuwendungen an viele Politgrößen verzeichnet, unter so interessanten Kürzeln wie „12/82 25 Diep“, was die Fahnder mühelos als „25.000 Mark an Diepgen“, damals Fraktionsvorsitzender der CDU, dechiffrierten. Auch an den WBK-Vorständler Riebschläger (SPD), mehrere Tiergartener Bezirksfürsten und den damaligen FPD -Umweltsenator Vetter war Geld geflossen. Im Januar wurde das Büro des Wilmersdorfer Baustadtrates Hermann (CDU) durchsucht, der Zuwendungen der Firma Groth&Graalfs und auch von Franke erhalten hatte. Auch die WBK ging als „Haus der kleinen Aufmerksamkeiten“ durch die Presse, allein auf der sogenannten Ruths-Liste, einer Geschenkeliste des größten Berliner Baubetreuers, waren 132 WBK-Mitarbeiter verzeichnet, dazu kamen 176 Mitarbeiter verschiedener Bauverwaltungen.

Im April '86 traten Vetter, Innensenator Lummer und Bausenator Klaus Franke zurück, letzterem war eine ungeklärte Bargeldeinzahlung auf seinem Konto zum Verhängnis geworden. Im Sommer '86 flog dann Finanzstaatssekretär Schackow wegen des Projekts Rudower Felder zusammen mit dem Baubetreuer Bertram auf.

Der AL-Vertreter Härtig forderte vor einigen Tagen die Entlassung des Staatssekretärs Henning von der Lancken (CDU). Dem schloß sich gestern die SPD an. CDU und FDP hingegen sprachen von politischen Strukturen, die man einem Einzelnen nicht anlasten dürfe. „Die Kostenabrechnungen der Bauträger sind undurchschaubar“, kritisierte der CDU -Vertreter im Ausschuß, Schütze. „Einsatz null, Risiko null, Gewinn eine Million“, benannte es Schneider von der SPD. Vor allem durch die Generalübernehmer, die einen Bau zum Festpreis schlüsselfertig erstellen und dafür Provisionen in Höhe von circa 25 Prozent verlangen, steigen die Preise. Während AL und SPD die Abschaffung von Generalübernehmern fordern, wollen CDU und FDP das System reformieren und transparent machen. Mit Maßnahmen in dieser Richtung habe man bereits angefangen, erklärte WBK-Vorstandsmitglied Evert auf Anfrage.

Die AL fordert die Auflösung der WBK, die nicht gleichzeitig die Interessen einer Bank und einer bewilligenden Behörde wahrnehmen könne. Bauherrenwettbewerbe wollen alle Parteien, womit sich FDP-Vertretzer Biederbick in Gegensatz zu seinem Finanzsenator Rexrodt stellte, der Wettbewerbe nicht mehr „in der Masse“ will.

Die Praxis der Grundstücksvergabe wurde ebenfalls als reformbedürftig betrachtet. Kritik traf auch die in Berlin „fast immer übliche“ Praxis der Befreiungen vom Planungsrecht. Bauen ohne Befreiung sollte wieder die Regel werden, meinte CDU-Vertreter Schütze. Bei einer Befreiung liegt es im Ermessen eines einzelnen Beamten, dem Bauherrn zu ermöglichehn, zusätzliche Millionengewinne zu erwirtschaften, beispielsweise durch höhere Ausnutzung des Grundstücks.

Auf heftigen Widerspruch bei der CDU stieß die AL -Forderung, die CDU möchte die ihr unrechtmäßig zugeflossenen Spenden, beispielsweise Zahlungen von Antes aus dessen Bestechungseinkommen, einem gemeinnützigen Zweck zuführen. Damit habe man nichts zu tun, das Geld sei außerdem längst ausgegeben, hieß es

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