: Partisanenkampf in Afrika
Der größte Erfolg der Bunte-Liga-Bewegung ■ PRESS-SCHLAG
Was waren sie belächelt worden. Was hatten sie selbst gezittert. Da brechen die Fußballer von Partisan Eifelstraße (Aachen), immerhin deutscher Vizemeister der Alternativkicker, auf zu ihrer Gastspielreise „Tunesien Tour '88“, und bekommen diesen Gegner vorgesetzt: eine Auswahl von „Soussienne Sousse“, gespickt mit alterfahrenen Erstligakickern und zwei Junioren-Nationalspielern.
Wochen vorher, beim Olympiaspiel BRD-Tunesien (4:1), warnte Teamchef Achim (der Wahre) bereits vor den Nordafrikanern: „Das haben wir noch nicht gewonnen.“ Dann, vor Ort, kurz vor dem Anpfiff gen Mekka, wurde er arg höflich: „Ich sehe schon jetzt die Schlagzeilen: „Sie brachten Gastgeschenke in Form von 24 Gegentoren mit.“ Angst aßen Seele auf, und tags vor dem Spiel war einigen Partisanen der Schiß im Bakteriengewand steil ins Gedärm gefahren.
Von Montemustafas Rache bös geschwächt, griffen sie tief in die Trickkiste: Maskottchen Parti, ein aufgeblasener Riesengorilla ging (Symbolik? Sabotage?) die Luft aus, und so hängten sie den schlaffen Affen wie den gekreuzigten Herrn an den Zuschauerzaun. Augenblicklich konterte der Muezzin lautstark vom Minarett neben dem Spielfeld (oder waren es die Mannschaftsaufstellungen?)
Die moslemischen Gegner bekamen statt eines ordinären Wimpels eines der neuen Partisanen-Leibchen geschenkt, das einen demütig knienden Moses zeigt, der statt der Gebote von Gottvater einen Fußball herniedergereicht bekommt mit den heiligen Worten: „Nehmet und kicket alle damit.“ Sogar einen leibhaftigen Theologen (kath.) stellten sie auf den Mittelstürmerposten, der jedoch, das sei schon jetzt verraten, in der Diaspora seines Glaubens einen ausgewachsenen Vollstreckerkomplex erlitt. Was haben sie dann gekämpft, gekeucht und gerackert, schwer beladen mit dem Durchschnittsalter 30 im Stade Maarouf zu Sousse. Sie gingen gar mit 2:1 in Führung und trotzten den wieseligen Zauberern Nordafrikas mit klugem Konterspiel und opferwütigem Abwehrkampf ein 4:4 zur Halbzeit ab.
Völlig verwirrend der Schachzug, einen türkischen Moslem für den katholischen Stürmer von Gottes Gnaden ins Spiel zu bringen. Spielerteamchef Achim kam als Linksverteidiger zum größten sportlichen Erfolg zeitlebens, als er dem Nationalrechtsaußen Ali N. kurz vor Schluß zum ersten Mal den Ball abjagte.
Endstand: 5:8. Wie wenig gerecht kann Allah sein. Doch wie zufrieden konnten sie nachher sein. Fünf Tore gegen Afrikaner hat auch Teamchef Franz (der Un-Wahre) nie erreicht. Und dank der nimmermüden Partisanentaktik muß nun selbst Rudi Gutendorf zweifeln, ob seine Prophezeiung, der wahre Fußball des Jahres 2000 werde allein in Afrika gespielt, in Erfüllung gehen wird.
Was wurden sie gefeiert hernach im Hotel. Wildfremde Menschen gratulierten, rüstige Rentnerscharen konnten endlich, deutschnational und völlig befreit, linke Kicker bejubeln, der Conferencier sang in der Pianobar von „L'Equipe des Partisanes“ und selbst ein niederländischer Zuschauer hatte die Offensivkraft der Moffen lautstark beklatscht. Aktive Völkerverständigung dank des größten Bunte-Liga-Erfolges in der Geschichte der alternativen Fußball-Bewegung. Dieser deutsche Fußball, das hat Tunesien erfahren, ist besser als der Ruf des anderen.
Bernd Müllender
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