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„Wanzen-Willi komm raus“

Protest von tazlerInnen im Berliner Rathaus gegen Verfassungsschutz-Überwachung  ■  Aus Berlin Petra Bornhöft

„Haben Sie einen Passierschein?“ will der Pförtner im Berliner Rathaus Schöneberg wissen. „Ohne Passierschein kommen Sie hier mit Ihren Schreibmaschinen nicht mehr raus“, ruft er den BesucherInnen hinterher. Sie scheren sich nicht drum, halten die Schreibmaschinen um so fester im Arm und eilen zielstrebig ein Stockwerk tiefer. Dort tagt der Innenausschuss zum Thema: Überwachung von Politikern und taz durch den Verfassungsschutz. Der richtige Ort also, Berlins Innensenator Wilhelm Kewenig (CDU) zur Rede zu stellen.

Beim Anblick der 30-40 tazlerInnen verdüstert sich der Blick des Wachpersonals. Geistesgegenwärtig dreht ein Saaldiener den Schlüssel in der Tür um. So bleibt taz -MitarbeiterInnen keine Wahl: umgehend setzen sie sich auf den Fußboden und klappern mit den Schreibmaschinen. Schließlich sind die JournalistInnen gekommen, ihre Manuskripte persönlich abzuliefern, damit dem Verfassungsschutz der lange Weg in die Wattstraße erspart wird. Der Nachrichtenchef liest die neuesten Meldungen von der Ticker-Rolle: „Kewenig beim Einbauen einer Wanze erwischt. Innensenator dementiert“. Die Londoner Regierung greift ein. Nach Angaben der Agentur Reuter schrieb Maggie Thatcher in ihrer Antwort auf einen Appell der taz vom Vortag: „Kewenig ist unschuldig“.

Das wollen die Versammelten nicht glauben. Während sie sich durch die Papierberge arbeiten, rufen einige lautstark „Kewenig, Kewenig, komm raus“. Statt seiner kommen Fernsehen, Rundfunk und Presse sowie das Sprachrohr des Innensenators, Hans Birkenbeul: „Der Innensenator kann jetzt nicht. Eine Unterbrechung der Sitzung, wie von der Alternativen Liste gefordert, ist vom Ausschuss abgelehnt worden. Als Kompromiß biete ich Ihnen ein Gespräch für später an“. Doch die Anwesenden verlangen sofortige Aufklärung und Garantien für die Wahrung von Pressefreiheit und Redaktionsgeheimnis. Unter Beifall fordert Redakteurin Georgia Tornow, Kewenig möge „hier und jetzt erklären, eine „ Entwanzungsaktion bei der taz zu bezahlen“.

Während der entsprechende Text noch getippt und der von der Alternativen Liste spendierte Kaffee kalt wird, erscheint die Polizei. Unbeeindruckt von einem blauen Stück Papier, auch bekannt als Presseausweis, beenden die Beamten die Redaktionssitzung. Gewohnt liebevoll greifen sie den RedakteurInnen unter die Arme und tragen etwa 20 Leute aus dem Rathaus. Draußen warten fünf Polizeiwannen, in denen die Personalien von Presse- und Personalausweisen der Betroffenen notiert werden. Daß man so schnell und ohne Passierschein das Rathaus verlassen kann, hat der Pförtner nicht mitbekommen. Die Polizei stand am Seitenausgang und nicht vorm Hauptportal.

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