: Neonazis in Mannheim verurteilt
Haftstrafen und Geldbußen für Skinheads, die Flüchtlingswohnheime überfielen und Ausländer verprügelten ■ Von Rudi Reichenstein
Mannheim (taz) - Mit einer Jugendstrafe von unbegrenzter Dauer (mindestens 22 Monate, höchstens dreieinhalb Jahre), fünf Haftstrafen zwischen drei und 18 Monaten auf Bewährung und Geldbußen bis 2.500 Mark endete am Freitag abend vor dem Mannheimer Landgericht das Verfahren um den Überfall auf das Asylbewerberwohnheim in Schriesheim an der Bergstraße vom 30.Januar dieses Jahres. Der mutmaßliche Rädelsführer der Aktion stand nicht vor Gericht. Er hatte sich nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft wahrscheinlich als Söldner nach Südafrika abgesetzt.
Durch Geständnisse und den Verlauf der Gerichtsverhandlung sah es der Vorsitzende Richter Sindlinger als erwiesen an, daß die Angeklagten Skinheads aus neo-nazistischer Grundhaltung am diesjährigen Jahrestag der faschistischen Machtergreifung die Wohncontainer der Flüchtlinge überfielen, die Ausländer beschimpften und bedrohten, mit Knüppeln und Besenstielen auf zwei Inder eindroschen und diese erheblich verletzten.
Eine Waffensammlung, die seinerzeit bei einem der Beteiligten gefunden wurde - darunter Wehrmachtsmunition und der Kopf einer Panzerfaust - stufte der Richter dagegen als Ergebnis einer eher harmlosen Sammelleidenschaft ein.
Vor allem zweierlei ist im Verlauf der insgesamt sechs Verhandlungstage klargeworden: Die beteiligten Skins kommen durchweg aus unsäglichen familiären und sozialen Verhältnissen und waren äußerst anfällig dafür, sich unter die Fittiche eines „starken Mannes“ zu begeben. Gefunden hatten sie ihn in dem ehemaligen Bundesvorsizenden der NPD -Jugendorganisation und jetzigen Weinheimer Stadtrat der „Deutschen Liste“, Günther Deckert. Einer der Angeklagten hatte den Ex-Studienrat früher als Lehrer gehabt, alle an der Tat beteiligten hatten Veranstaltungen der regionalen Neonazi-Größe besucht oder gar regelmäßig an dessen „Sonnenwendfeiern“ und „Reichsgründungsfeiern“ teilgenommen. Deckert, von dem Kenner der Szene behaupten, er habe im Bergsträßer Raum etwa 200 neonazistische Jugendliche in sogenannten Vorfeldorganisationen um sich geschart, blieb während des gesamten Verfahrens allgegenwärtiger „Mann im Hintergrund“, wurde aber nicht vor das Gericht zitiert.
Auch zu Verbindungen der Skinheads zur verbotenen neonazistischen „Taunusfront“ wurde in dem Verfahren nicht nachgeforscht, obwohl einige der Angeklagten offensichtlich auch mit dieser Gruppe Kontakte hatten und der Gerichtseingang seit Prozeßbeginn mit Aufklebern dieser Organisation versehen worden war.
Am härtesten hat es so den klassischen Mitläufer erwischt. Der Skinhead, der zu einer unbegrenzten Jugendstrafe verurteilt wurde, war zum Zeitpunkt des Überfalls erst 17 Jahre alt. Obwohl er von der Erscheinung her den Eindruck eines richtigen Bubis macht, war er aber, sobald es um Schlägereien ging, äußerst aktiv, sei es im Ludwigshafener Waldhof-Stadion, sei es beim „Kloppen“ von verfemten Minderheiten. Weil er so schon einmal wegen des Verprügelns eines Schwulen verurteilt worden war, gab es für ihn keine Bewährung. Er wurde noch im Gerichtssaal festgenommen.
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