: Ab wann brackern Vierzigtonner durch die Schweiz?
Die EG will den eidgenössischen Umwelt- und Arbeitsschutz an den eigenen Vorschriften orientieren / Eine Tagung schweizerischer Umweltverbände in Zürich ■ Von Klaus-Dieter Käser
Die Schweiz ist unter den Druck der EG geraten. Um den eigenen Verkehrsraum zu vereinheitlichen, drängt die Europäische Gemeinschaft auch auf einen Straßenkorridor durch die Schweiz, auf dem Vierzig-Tonnen-LKWs fahren würden. Zur Zeit dürfen dort LKWs nicht schwerer als 28 Tonnen sein; zudem herrscht für die Brummi-Lenker ein arbeitnehmerfreundliches Nachtfahrverbot.
Nach Ansicht der EG führen die Schweizer Restriktionen dazu, daß viele Transporter in Nord-Süd-Richtung den Umweg über Österreich nehmen, was teurer sei und auch mehr Umweltverschmutzung bedeute. Die schweizerische Regierung blieb hingegen bei ihrer Position, einen 40-Tonnen-Korridor nur auf der Schiene zu schaffen. Bis 1990, so unlängst ein Versprechen an die EG, werde die Schweiz die Verladekapazität für LKWs verdoppeln.
Doch für die UmweltschützerInnen in der Schweiz bleibt das Jahr 1992, in dem der EG-Binnenmarkt vollendet werden soll, Anlaß zur Skepsis. Das wurde am letzten Wochenende auf einer Tagung in Zürich deutlich, zu der die Schweizerische Gesellschaft für Umweltschutz (SGU) eingeladen hatte.
Umweltschutz als
Handels-Hemmnis
Die Instrumente des schweizerischen Umweltschutzes würden von der EG als Handelshemmnisse bekämpft, klagte SGU -Präsident Bernhard Wehrli. Die vielfältigen Abhängigkeiten der Schweiz im Handel mit der EG dürften jetzt aber nicht dazu führen, daß sich die Schweiz im Umweltschutz den schlechteren Bestimmungen der EG anpasse.
So unwahrscheinlich sind die Befürchtungen Wehrlis nicht. 1986 kamen 72 Prozent der schweizerischen Importe aus der EG, 55 Prozent der Exporte gingen in die EG-Länder. Wehrli: „Überall werden anpasserische Äußerungen laut. Die Wirtschaft fürchtet um ihre Märkte und ruft laut nach Anpassung.“ So waren die Reaktionen in der Schweiz auch heftig und betroffen, als das EG-Parlament noch in diesem Monat mit nur sieben Nein-Stimmen den 40-Tonnen-Korridor forderte und dies mit der Drohung unterstrich, daß man andernfalls keine LKWs mehr aus der Schweiz in die EG fahren lassen wolle, die mehr als 28 Tonnen auf die Waage brächten.
Zudem hat die EG in der Schweiz auch Verbündete gefunden. Für Ursula Mauch, Nationalrätin der Sozialistischen Partei, ist es ganz eindeutig, daß es in der Schweiz Leute gibt, „die durchaus bereit sind, dem Druck des EG-Schwerverkehrs nachzugeben. Ein Teil dieses Druckes ist hausgemacht, vor allem von denen, die sich von der Verwässerung bestehender Umwelt- und Sozialregelungen Vorteile erhoffen.“
Mehr Schutz ohne EG
Gerhard Leutert, beim Bundesamt für Umweltschutz für die Luftreinhaltung zuständig, rechnet damit, daß sich der LKW -Straßenverkehr vervierfacht, falls die 28-Tonnen-Regelung aufgehoben würde - und das sei absolut umweltunverträglich. Nach seiner Ansicht kann die Schweiz im Umweltschutz mehr ohne die EG erreichen. Die eigenen Vorschriften hätten zudem den Vorteil, daß man zeigen kann, was geht, und damit unterstütze man auch die Bevölkerung der EG-Staaten dabei, Druck auf die Regierungen auszuüben.
Leutert sieht zwar auch große Chancen in einer EG -Einheitslölung in der Umweltpolitik, weil die Verschmutzung ein internationales Problem sei. Die gesetzlichen Regelungen in der Schweiz seien aber viel fortschrittlicher als die Beschlüsse der EG. „Der meiste Dreck ist sowieso hausgemacht“, meint Leutert, „deshalb müssen wir den Umweltschutz selbst in die Hand nehmen und dürfen nicht auf die EG warten.“
Paradebeispiel Kat-Politik
Nach Ansicht Leuterts ist am Beispiel des Katalysators ganz deutlich zu erkennen, wie unterschiedlich die Politik hier sei. Während die Schweiz Anfang 1988 ihre Regelungen mit denen der USA harmonisierte und einen geregelten Dreiwege -Katalysator für alle neuen PKWs vorschreibt, ist das in der EG nicht der Fall. Auf die Schweiz angewendet, würden die geltenden EG-Vorschriften dazu führen, daß im Jahre 2005 die Stickoxid-Emissionen in der Schweiz dreimal höher wären, als dies bei den jetzt geltenden eidgenössischen Regelungen der Fall sein würde.
„Gute Beispiele verderben die schlechten Sitten“, steuerte der österreichische Verkehrswissenschaftler Hermann Knoflacher gleich ein Motto bei. Knoflacher sieht nur Vorteile in der schweizerischen 28-Tonnen-Regelung und meint, daß der 40-Tonnen-Korridor nur Appetit nach weiterer unvernünftiger Politik wecken würde. Er fordert ein 28 -Tonnen-Limit auch für Österreich und ein offensiveres Vorgehen der Umweltschützer.
Da die Bahnpolitik der Schweiz europaweit als vorbildlich gelte, so Paul Roman vom umweltorientierten Verkehrsclub der Schweiz (VCS), gelte es, hier den nächsten Schritt zu tun. Er forderte ein generelles Verbot des LKW-Transits auf der Straße. Einen Huckepack-Korridor auf der Schiene zu schaffen, nehme Druck von der Schweiz. Komme die EG-Politik wie geplant, so zählten die Spediteure zu den zukünftigen Gewinnern. Auf der Verliererseite dürften ausgerechnet die Bahnen mit zehn bis 20 Prozent Verlusten beim Gütertransport rechnen.
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