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Brückner kein „Betten-Senator“

■ Mangelhafte Hygiene in St.-Jürgen-Klinik begleitete ehemaligen Gesundheitssenator während gesamter Amtszeit / Brückner: „Konnte schließlich nicht selbst umbauen gehen“

„Ich bin nicht 11 Jahre lang Senator für Bettenzentralen gewesen“. Herbert Brückner war 11 Jahre lang Senator für Gesundheit. Gleichwohl hätte der St.-Jürgen-Ausschuß gestern zu gern von Brückner erfahren, was er während seiner Amtszeit eigentlich getan hat, um „hygienische Mißstände“ im Krankenhaus abzustellen. Immer wieder mußte Brückner auf die immer gleichen Fragen der Ausschußmitglieder seine immer gleichen Antworten wiederholen. Immer wieder kramten die parlamentarischen Untersucher ihre bisherigen Vernehmungsprotokolle hervor, um Brückner ein „Geständnis“ zu entlocken. Der gab schließlich einen ironischen und betroffenen Blanko-Scheck: „Seien Sie gewiß, ich bedaure alle Fehler, die ich während meiner Amtszeit gemacht habe, und alles, was ich nicht habe durchsetzen können.“

Die Zustände in der Bettenzentrale hatte der ärztliche Direktor Walter Henschel vor dem Untersuchungsausschuß beispielsweise so beschrieben: „Die Bettenzentrale hatte für mich Priorität erster Güte. Sie war mein Alptraum. Ich mußte aus irgendwelchen Gründen häufig in den Keller, ich mußte jedesmal pfeifen, so sehr habe ich mich gefürchtet, es war eine Katastrophe.“ Ein „Alptraum“ waren die Klinikkatakomben allerdings nicht nur für den ärztlichen Direktor: Dutzende von Vermerken, Mahnschreiben, Bestandsaufnahmen mit dem „Betreff: Hygienische Zustände Bettenzen

trale“ kursierten seit Anfang der 70er Jahre zwischen Hauptgesundheitsamt, senatorischer Behörde und Klinikdirektion. Brückners damaliger Hauptabteilungsleiter Friedrich van Nispen notierte im April 1979 beispielsweise: „Die hygienischen Verhältnisse des Krankenhauses sind nicht mehr verantwortbar. 56 Prozent aller Flächen gaben Grund zur Beanstandung.“ 1982 erhielt Brückner ein resigniertes Schreiben des Hauptgesundheitsamtes: „Seit nunmehr 10 Jahren haben wir unsere Bedenken über die hygienischen Mißstände geäußert und auf die Gefahr von Hospitalinfektionen hingewiesen. Wir schließen hiermit den Vorgang ab und übergeben ihn Ihrer Verantwortlichkeit.“

Vor dem Untersuchungsausschuß hatte der Nicht-Senator für Bettenzentralen und Ex-Senator für Gesundheit gestern gleich mehrere Erklärungen für das bis heute ungelöste Problem. Erstens könnten die hygienischen Verhältnisse so dramatisch nun auch wieder nicht gewesen sein. Schließlich hätte sonst das Hauptgesundheitsamt eine „Schließungsverfügung“ erlassen müssen. Für das „mittlere“ Hygiene-Drama sei zweitens nicht er, sondern der ärztliche Direktor verantwortlich gewesen: „Der hat mir gegenüber aber nie ein solches Katastrophengemälde gezeichnet“. Drittens: „Ich selbst wäre tätig geworden, wenn mich einer der zuständigen Mitarbeiter um ein Gespräch gebeten hätte. Das ist nicht erfolgt.“

Um ein Gespräch nicht. Wohl aber wurde Brückner gebeten, ein Mahnschreiben an Aribert Galla eigenhändig zu unterzeichnen. Begründung der Brückner-Beamten, nachdem sie erfolglos ganze Ordner mit eigenen Mahnungen gefüllt hatten: „Auf kleine Beamte reagiert Herr Galla nicht.“ Brückner lehnte ab, bat seinen Hauptabteilungsleiter zu unterzeichnen. Begründung vor dem Ausschuß: „Ich bin schließlich kein Ersatzunterschriftmann. Und ich konnte auch nicht selbst in die Bettenzentrale 'umbauen gehen‘.“

K.S.

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