: HAARSTRÄUBEND
■ Gewaltsamer Haarschnitt im Knast in Portugal
Nach 157 Tagen unschuldiger (ohne begangene Straftat und bei ausbleibender Anklage) U-Haft, ging man nun mit Gewalt an uns ran. Seit einigen Wochen weigern wir uns, unsere eh kurzgeschnittenen Haare schneiden zu lassen mit der Begründung, daß es nicht Pflicht ist und keine Gefängnisordnung vorschreibt, kurze Haare zu tragen. Am 19. Oktober, nach dem Abendessen, ließ der scheinbar angetrunkene Chef uns nicht aus dem Speisesaal und wollte uns persönlich die Haare schneiden. Wir wehrten uns verbal, worauf er in Rage kam und eine Ohrfeige so ungeschickt ansetzte, daß er eine Glasscheibe in der Türe zerschlug. Wir wurden dann in den Fernsehraum gebracht, wo keine Zeugen mehr anwesend waren, und der Chef versuchte, uns in die Eier zu treten. Er bedrohte uns mit einer spitzen Schere und befahl den Wärtern, die bislang nur unschlüssig herumstanden, uns festzuhalten, damit er uns die Haare schneiden könne. Da das aber irgendwie nicht klappte, weil wir zu zweit im Raum waren, wurde Andi in seine Zelle gebracht. Der Chef drohte, mir ein Bein zu brechen und dann zu sagen, ich wäre ausgerutscht. Ich wußte, daß er das nicht tun würde, war mir dessen aber nicht ganz sicher. Deshalb versuchte ich, mit ihm zu reden, und schlug ihm vor, erst einmal mit dem Direktor zu sprechen. Doch zwei Wärter rissen mich zu Boden, und der Chef begann, mir die Haare am Hinterkopf abzuschneiden. Anfangs wehrte ich mich noch, doch nachdem er mich ins Ohr geschnitten und unweit vom Auge verletzt hatte, hielt ich es für besser, still zu halten. Er schnitt, zwei, drei Büschel ab und war dann sichtlich zufrieden, und ich konnte in meine Zelle zurückkehren. Von Andi weiß ich, daß sie ihn nach mir aus der Zelle holten, um das gleiche mit ihm zu machen. Doch er drohte, sich mit einer Rasierklinge die Pulsadern aufzuschneiden, worauf sie ihn beruhigten und er wieder auf Zelle konnte. Einige Minuten später kam der Chef mit fünf Beamten überraschend in die Zelle. Sie überfielen ihn im Bett, überwältigten ihn, und der Chef konnte wieder schnippeln. Andi ließ sich dann die Haare noch freiwillig vom Friseur begradigen, und auch ich mußte später nochmals aus dem Bett, damit die Haare unter der Aufsicht des Chefs fachmännisch geschnitten werden konnten. Am nächsten Tag beschwerten wir uns beim Direktor. Doch der hatte sich vorher den Bericht vom Chef angehört, und somit waren wir natürlich die Bösen, wir hätten den Befehlen Folge zu leisten. Wie sollten wir auch die Gewalttätigkeiten des Chefs beweisen.
A.+A., Beja
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen