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Ein Kaffee ohne Ausbeutung und Blut

In den Niederlanden schaffte Kaffee den Sprung in die Supermarkt-Regale, der direkt bei Bauern-Kooperativen gekauft wird / Zwei Prozent Marktanteil angestrebt / Kritik der Dritte-Weltläden  ■  Von Thomas Roser

Am 15.November bekam Prins Claus den neuen Kaffee als erster in die Hand gedrückt. Zur gleichen Zeit feierte die neue Geschmacksmarke „Max Havelaar“ in rund der Hälfte aller niederländischen Lebensmittelläden und Supermärkte ihr Debüt. Dem „reinen“, direkt von Bauernkooperativen angekauften Kaffee ist damit in den Niederlanden der Sprung aus dem Ghetto der Dritte-Weltläden gelungen. Erstmals wird er nun von Kaffeekonzernen kommerziell geröstet und vertrieben.

„Max Havelaar“ ist die Hauptfigur eines in den Niederlanden sehr populären Buches von Multatuli, das sich im letzten Jahrhundert erstmals kritisch mit der Rolle der Niederländischen Handelsgesellschaft in ihren überseeischen Kaffeeplantagen auseinandersetzte. Der Name „Max Havelaar“ steht in Holland auch heute noch für einen anderen Umgang mit der Dritten Welt. So können sich nur Kaffeesorten, die die Anforderungen der Stiftung „Max Havelaar“ hundertprozentig erfüllen, mit deren Etikett als „echter“ reiner Kaffee ausweisen. Die Stiftung, die auf Initiative der kirchlichen Organisation „Solidaridad“ entstand, achtet darauf, daß der verwendete Kaffee direkt von Produzenten bezogen wird, die unter „humanen“ Bedingungen ihren Kaffee anbauen. Auf der eigens angefertigten Produzentenliste finden sich jedoch nicht nur Kooperativen, sondern auch Staatsbetriebe progressiver Entwicklungsländer.

Auch an Lieferverträge und Bezahlung stellt die Stiftung präzise Bedingungen. So erhält der Produzent bei niedrigen Weltmarktpreisen eine Bezahlung, die den Marktpreis bis zu zehn Prozent übertreffen kann. Sollte der Kaffeepreis gar ins Uferlose sacken, ist den Bauern ein Minimumpreis garantiert. Um eine wirksame und funktionsfähige Kontrolle zu garantieren, wird zudem auf den Kaffee eine vierprozentige Provision erhoben, die der Arbeit der Stiftung zugute kommt. Letztendlich muß der Verbraucher für ein Päckchen „reinen“ Kaffee rund 50 Pfennig mehr berappen.

In den Niederlanden, wo der Kaffee-Verbrauch pro Kopf und Jahr mit acht Kilogramm einer der höchsten der Welt ist, scheint ein großer Teil der Bevölkerung die Mehrausgaben in Kauf zu nehmen. Während der Marktanteil des bislang über die Dritte-Weltläden vertriebenen Alternativkaffees bei 0,2 Prozent dümpelte, erklärten sich in Marktuntersuchungen ein Drittel der Verbraucher dazu bereit, für einen „reinen“ Kaffee auch mehr als üblich zu bezahlen.

Kein Wunder, daß bislang zwölf Kaffeeröster Kaffeesorten mit dem „Max-Havelaar„-Siegel auf den Markt brachten, wittern sie doch mit dem „anderen“ Kaffee nicht zuletzt auch ein gutes Geschäft. Branchenführer Douwe Egberts, der sich dieser Initiative verweigerte, bangt nun um seinen Marktanteil von 60 Prozent. Besonders irritiert ihn, daß auch der nationale Supermarkt-Riese Albert Heyn die neuen Kaffeesorten in seinen Regalen stapeln will. Unter Douwe Egberts Federführung traf daher der Verband der Kaffeeröster mit den Kirchen eine Vereinbarung, einen kleinen Teil der Kaffeebohnen direkt bei Bauernkooperativen zum Weltmarktpreis einzukaufen. Der Sinn dieses Unternehmens: Indem dem eigenen Kaffee einige „reine“ Bohnen untergemischt werden, soll der unliebsamen neuen Konkurrenz nicht nur preislich, sondern auch argumentativ begegnet werden. Warum mehr bezahlen, wenn auch der „normale“ Kaffee direkt vom Produzenten bezogen wird?

Außer für Verwirrung der Öffentlichkeit sorgte diese Vereinbarung jedoch auch für Streit innerhalb der Stiftung. Unabhängige Dritte-Weltorganisationen werfen ihren kirchlichen Pendants vor, mit dieser Vereinbarung bewußt die Durchsetzungschancen des „Max-Havelaar„-Kaffees zu untergraben. Schließlich muß, den Rentabilitätsberechnungen der Supermarktketten zufolge, schon innerhalb eines halben Jahres ein Marktanteil von zwei Prozent erreicht werden. Wenn nicht, sind Preissteigerungen unvermeidlich. Ein groß angelegter kommerzieller Vertrieb wäre damit schon früh gescheitert.

Die Kirchen, die die Vereinbarung als „historischen Schlag“ zugunsten der Kaffeebauern der Dritten Welt feierten, setzen bewußt auf eine zweigleisige Strategie. Während sie einerseits die Einführung eines hundertprozentig reinen Kaffees in alle Läden der Niederlande nach Kräften zu fördern trachten, arbeiten sie andererseits an einer generellen Änderung der Einkaufspolitik der Kaffeeröster. Sie sollen nicht nur einen bestimmten Prozentsatz ihres Kaffees von Kooperativen beziehen, sondern auch mit Krediten eine Vorfinanzierung der Ernten ermöglichen.

Die Dritte-Weltläden, die in der Stiftung ebenfalls präsent sind, können ihren Unmut über die Kirchenpolitik nur schwer verbergen. Nicht nur mit der Vereinbarung mit dem Verband der Kaffeeröster haben sie ihre liebe Mühe. Auch das Projekt des „Max-Havelaar„-Kaffees konnten sie nur mit halbem Herzen unterstützen. Den Läden droht nun die Existenzgrundlage entzogen zu werden, stellt der Kaffeeverkauf mit 70 Prozent doch den größten Teil ihres Umsatzes dar. Auch sind in der Alternativszene eher neidische Stimmen zu hören, die der Stiftung vorwerfen, nun die Erfolge ihrer zwanzigjährigen Arbeit einzuheimsen. Daneben üben die Dritte-Weltläden aber vor allem inhaltliche Kritik an den Kompromissen gegenüber den Kaffeeröstern.

Während die Dritte-Weltläden bei dem Verkaufen des Kaffees vor allem auch Informationen vermitteln wollen, sehen sie im „Max-Havelaar„-Kaffee kaum eine Möglichkeit, die bestehenden Strukturen des Welthandels zu demaskieren. So ist die Rückseite des neuen Kaffees zwar durchaus mit Informationen versehen, doch selbst die Bezeichnung „zuivere koffie“ (reiner Kaffee) fand keine Gnade vor den gestrengen Augen der Bohnenmischer. Sie befürchteten, daß damit allen anderen Sorten unterstellt wird, „unreiner“ Kaffee zu sein. Vor allem aber haben die Röster eine Sprachregelung ausgehandelt, die ihre Konzerne einigermaßen pfleglich behandelt. Worte wie „Ausbeutung“ oder „Blutkaffee“ wurden aus dem Informationsvokabular gestrichen.

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