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Gnadenakt für Manfred Grashof

■ Rheinland-pfälzischer Ministerpräsident Bernhard Vogel begnadigt früheres RAF-Mitglied

Berlin (taz) - Der noch amtierende rheinland-pfälzische Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) hat den wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilten ehemaligen RAFler Manfred Grashof begnadigt. Vogel, der in zwei Tagen zurücktritt, sagte gestern in Mainz, der Gnadenerweis dokumentiere die Bereitschaft des Staates, auch bei schwersten Delikten deutlich zu machen, daß es einen „Weg zurück in die Gesellschaft“ gebe.

Grashof war vor fast 17 Jahren, am 2.März 1972 in einer konspirativen Wohnung in Hamburg verhaftet worden. Bei seiner Festnahme kam es zu einer Schießerei, bei der ein Polizeihauptkommissar erschossen und Grashof selbst schwer verletzt wurde.

Daß Manfred Grashof so schnell - allerdings erst mit Wirkung vom 2.März 1989 - begnadigt wird, verdankt er nicht zuletzt den CDU-internen Querelen in Rheinland-Pfalz, denen Bernhard Vogel vor drei Wochen zum Opfer fiel.

Der Mainzer Justizminister Caesar (FDP) betonte gegenüber der taz, es sei Vogels ausdrücklicher Wunsch gewesen, Grashof, ähnlich wie Klaus Jünschke vor einem halben Jahr, zu begnadigen. Vogel habe beide Fälle - bisher die einzigen Entlassungen von zu lebenslanger Haft verurteilten RAFlern „immer als Einheit gesehen“. Deshalb sei am Ende „alles ein bischen schnell“ gegangen, meinte Caesar. In der Tat wurde in atemberaubender Geschwindigkeit in den letzten 14 Tagen noch ein Gutachten in Auftrag gegeben und fertig gestellt, um die formale Seite des Gnadenweges einzuhalten.

Zu möglichen politischen Differenzen innerhalb der CDU über die Begnadigung des Ex-Terroristen läßt sich nur spekulieren. Jedenfalls hat Bernhard Vogel vor seiner Gnadenentscheidung mit Nachfolger Carl-Ludwig Wagner (CDU) „gesprochen“.

Fest steht zumindest, daß es innerhalb der Staatsanwaltschaft Differenzen über Vogels Vorhaben gab. Der eigentlich zuständige leitende Oberstaatsanwalt in Kaiserslautern, Wilhelm (nur Namensvetter des neuen CDU -Landesvorsitzenden), war in einer internen Stellungnahme gegen die Entlassung, der ihm vorgesetzte Generalstaatsanwalt in Zweibrücken, Gauf, dafür. Neben psychologischen Gutachten, die positiv ausfielen, und der positiven Stellungnahme der Knastleitung müssen auch die Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft im Gnadenverfahren berücksichtigt werden. Welchen Stellenwert sie für eine Gndenentscheidung tatsächlich haben ist allerdings unklar.

Manfred Grashof, der seit einem Jahr Freigänger in einer Berliner Haftanstalt ist, war gestern nicht zu einer Stellungnahme zu erreichen. Im Unterschied zu Klaus Jünschke hat er sich nach seiner Abwendung von der RAF bisher nie in der Öffentlichkeit zu Wort gemeldet. Seine Begnadigung zeigt, daß es nicht mehr zu den Vorraussetzungen für vorzeitige Haftentlassungen gehört, sich öffentlich zu distanzieren. Auf den entlassenen Ex-RAFler kommen jetzt enorme finanzielle Forderungen der Justiz zu: 280.000 Mark Prozeßkosten soll er zurückzahlen. Besonders perfide daran: annähernd 230.000 Mark davon sind die Anwaltskosten für sogenannte „Zwangsverteidiger“, die vom Gericht gegen den Willen der Angeklagten und ihrer Wahlverteidiger damals dem Verfahren beigeordnet wurden.

Der Gnadenakt für Grashof wurde von Sprechern der Parteien grundsätzlich begrüßt. Bundesjustizminister Hans Engelhard (FDP): Die Entscheidung verdiene Respekt.

mtm

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