: Ariadne im Labyrinth
■ „Jane B.“ oder „jane b. portraitiert von agnes v.“: Das Portrait der Schauspierin Jane Birkin von Agnes Varda. Ein farbenbuntes Puzzle, das viel erzählt und nie enblößt
Mir haben schon immer solche Portraits am besten gefallen, bei denen das Verhältnis zwischen Portaitierten und Portraitisten als thematisierte, subjektive Annäherung zum Bestandteil des Portraits wird und sich der Portraitist nicht hinter einem vorgeblich objektiven Blick versteckt. Von Agnes Varda habe ich gar nichts anderes erwartet, als daß sie genau das tut: Eine Person, eine Frau wie die Schauspielerin Jane Birkin, zu portraitieren, von der sie persönlich angezogen ist - was sie auch gleich zu Beginn sagt - , und die sie in jedem Moment, in jeder Einstellung ihres Films, als „jane b. portraitiert von agnes v.“ entstehen und wieder entschwinden läßt.
Jane Birkin: In tausend Gestalten erscheint sie uns, aber am Ende ist sie immer noch rätselhaft. Und so soll es ja auch sein bei einem Portrait, das so spielerisch, farbenbunt, persönlich ist und dennoch überaus diskret bleibt. Jane Birkin als „Calamity Jane“, als Tarzans „Jane“, als „Jane d'Arc“ - eine Rolle, „die ich so gerne spielen würde, die mir aber niemals angeboten werden wird. Wie würde das auch klingen aus meinem Mund: 'Allons, Francais, contre les Anglais'“, sagt sie, die aus England stammt und
für diese Szene den englischen Akzent ironisch betont. Als spanische Flamencotänzerin gefällt sie sich überhaupt nicht. Das wollte Agnes Varda, aber Jane Birkin verabscheut „dieses Kostüm und diesen spanischen Stolz.“
Eine der schönsten Szenen: Jane Birkin als Jane Birkin geht auf den Champs Elysee entlang, hockt sich auf eine Treppe und kippt zwei große Handtaschen aus. Zum Vorschein kommt ein unbeschreibliches Durcheinander. Sie lächelt in die Kamera: „Auch wenn du alles ausschüttest, hast du noch nichts von dir erzählt.“
In die Kamera mag sie eigentlich nicht schauen, Jane B. „Das ist mir zu intim.“ „Und in den Spiegel?“, fragt Agnes Varda. „Da stehe ich mir selbst gegenüber. Aber das Kamera -Auge beobachtet mich, während ich mich nicht sehen kann.“ Agnes Varda überredet sie, dennoch in die Kamera zu blicken, aber Jane Birkins Blick bleibt immer auf der Hut, obwohl Agnes Varda - und ganz besonders die Kamerafrau Nurith Aviv
-niemals voyeuristisch werden. Nicht einmal - oder gerade nicht - in der langen Szene, in der die Kamera an Jane Birkins nacktem Körper entlang
fährt, von den Zehenspitzen bis zum rotgeschminkten Mund, und das Kunststück gelingt, Nacktheit wie das Verhüllen von Verletzlichkeit zu präsentieren.
Jane Birkin auch als Ariadne, die mit dem Faden durchs Labyrinth geht, verfolgt von einem „Monster“ - der Kamera. Diese mehrmals wiederkehrende Szene ist wie ein Symbol für das Portrait: Jane Birkin behält den Faden in der Hand, weiß aber nie, wie es hinter der nächsten Ecke weitergeht. „Wir machen ein Puzzle, und in der Mitte bleibt ein Loch“, sagt Agnes Varda, die übrigens auch im Portrait auftaucht und mitspielt, zum Beispiel als Frau in einem Spielcasino, die ihr ganzes Vermögen unter den Augen der „Croupiere“ Jane B. verliert. Dann nimmt sie sich mit Grandezza ihr Collier vom Hals und überreicht es Jane Birkin „für das Personal.“
Jane B. ist am Ende, als sie ihren 40. Geburtstag feiert, vertraut geworden und fremd geblieben. Beide Frauen haben miteinander, Jane B. hat mit sich selbst gespielt. Ein Puzzle aus üppiger, geradezu schwellender Farbigkeit, ein Spiel mit der Phantasie und der Persönlichkeit.
Sybille Simon-Zülch
Cinema, 19 Uhr.
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