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Der gute Mensch von Neu-England

■ „Mr. North“ von Danny Huston mit Robert Mitchum, Lauren Bacall und Anjelica Huston ist ein idealer Weihnachtsfilm über edle Taten und gute Menschen bei sonnigem Wetter

Eigentlich gehen mir Leute, die umherwandeln und immer nur gute Taten vollbringen, schon sehr bald gehörig auf die Nerven; im Film wie im realen Leben, wo man gottseidank nur wenigen von dieser Sorte begegnet. Mr. Theophilus North ist nun genau solch einer, und wenn ich nun trotzdem mit wachsendem Vergnügen zugesehen habe, wie er Liebende zusammenführt, einer Sterbenden den Seelenfrieden bringt, Kranke heilt und die Guten vereint, dann muß schon was dran sein, am ersten Spielfilm des Sohnes von John Huston.

Der wollte ursprünglich noch selber den letzten Roman von Thornton Wilder verfilmen, aber als nach seiner Arbeit an „The

Dead“ klar wurde, daß der Schwerkranke nicht mehr die Kraft für eine weitere Regiearbeit hatte, entschied er, dies sei „genau das Richtige“ für seinen Sohn Danny. John Huston schrieb das Drehbuch, war Produzent und wollte auch die Rolle des kranken, reichen und dennoch weisen James McHenry Bosworth spielen. Aber als er merkte, daß er die Dreharbeiten nicht überleben würde, fragte er einen alten Kumpel, ob der nicht einspringen wolle; und jetzt kann man Robert Mitchum in dieser sehr dankbaren Rolle bewundern.

Familiär ist es in Hustons Filmen immer zugegangen. Johns Vater Walter bekam im „Schatz der Sierra Madre“ eine Parade

rolle, Danny und Tochter Anjelica schon als Kinder kleine Nebenrollen, Anjelica dann in „Prizzi's Honor“ eine Hauptrolle, und jetzt spielt sie im Film ihres Bruders die schöne und mysteriöse Tochter des Herrn Bosworth. Lauren Bacall gehört als Ehefrau von Hustons Freund Humphrey Bogart auch mit zur Familie, wahrscheinlich hat schon der kleine Danny auf ihrem Schoß gesessen. Für sie hat Huston die schöne Rolle der warmherzigen Pensionswirtin Mrs. Cranston maßgescheidert.

Mit solch starken und sympathischen Persöhnlichkeiten an seiner Seite kann Mr. North gar nicht in ernsthafte Schwierigkeiten kommen. Der junge Mann taucht auf seinem Fahrrad im feinen Newport, Rhode Island der 20er Jahre auf, und arbeitet als Vorleser, Tennistrainer und Lehrer bei den reichen Herrschaften. Mit seiner unkonventionellen Art ignoriert er alle Klassenschranken, als Gelehrter und einfühlsamer Gesprächspartner führt er die Menschen zu den richtigen Entscheidungen, und durch eine kleine körperliche Besonderheit, er lädt sich elektrisch auf und verteilt kleine Blitze, wird er unfreiwillig zum Heiler. Wirklich brenzlig wird es für North nur, als Massen von Kranken, Lahmen und Blinden ihn als vermeindlichen Wunderheiler durchs ganze Städtchen verfolgen und fast in der Luft zerreißen.

Aber die meiste Zeit benimmt sich North halt wirklich wie der Schutzheilige der Pfadfinder, und die Frage ist immer noch, warum das nicht nach fünf Minuten unerträglich kitschig wirkt. Das smarte Drehbuch des Vaters und die angenehm unaufdringliche Inszenierung des Sohnes reichen als Erklärung nicht aus. Aber Anthony Davis spielt den „Liebling der Götter“ als ganz normalen jungen Amerikaner, der immer etwas erstaunte Augen macht, ob der Vorkommnisse, die er in aller Unschuld auslöst. Er kann einfach nicht anders als gut sein. Und durch ihn gibt es keinen moralischen Zeigefinger in dieser Heilsgeschichte. Aber wie bei den Harmoniebomben von Frank Capra kommt man aus dem Kino heraus und will plötzlich Omas über die Straße helfen oder erkälteten FreundInnen heißen Tee kochen.

Wilfried Hippen

Filmstudio 18.00 & 20.30 Uhr

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