piwik no script img

„Unseliger Tag für Mexiko“

Deftige Zwischenfälle bei der offiziellen Übergabe des Amtes des Staatspräsidenten an Salinas de Gortari / Eklat im Parlament / Prügeleien auf der Straße / Unterstützung Salinas durch Castro  ■  Aus Mexiko-Stadt Reimar Paul

Der „Beginn des Bürgerkriegs in Mexiko“, den der ultra -rechte US-Kongreßabgeordnete Jesse Helms und seine politischen Freunde in ganzseitigen Anzeigen im 'Wallstreet Journal‘ und in der 'New York Times‘ - Überschrift: „Cuauhtemoc Cardenas, der Fidel Castro Mexicos“ - für den 1.Dezember prophezeit hatte, blieb aus. Die offizielle Übergabe der Präsidentschaft vom bisherigen Amtsinhaber Miguel de la Madrid an den aus dem Wahlbetrug vom 6.Juli als Sieger hervorgegangenen Carlos Salinas de Gortari war dennoch mit deftigen Zwischenfällen gespickt.

Während sich rund um das hermetisch abgeriegelte Parlamentsgebäude Demonstrantengruppen mit Einheiten aus Polizei, Armee und Präsidialgarde Wortgefechte und kleinere Schlägereien lieferten, kam es im Innern des Hauses zum Eklat. Als der scheidende Präsident zu Trompetenklängen der mexikanischen Nationalhymne Einzug in den Sitzungssaal hielt, rissen die knapp 100 Abgeordneten der konservativen „Nationalen Aktionspartei“ (PAN) Plakate und Spruchbänder mit Aufschriften gegen den „Betrug in der Regierungszeit de la Madrids“ in die Höhe und vor die Linsen Hunderter Fotoapparate und Filmkameras. Wenige Augenblicke später, bei der Übergabe der Präsidentenschärpe an den geradezu versteinert wirkenden Salinas, verließen die Abgeordneten der linken Allianz „Demokratisch-Nationale Front“ (FDN) unter lautstarken Sprechchören den Saal.

Zu Beginn der Sitzung hatte die Abgeordnete Marcela Lombardo in einem der FDN nach langen Vorverhandlungen zugestandenen Redebeitrag bedauert, daß „an diesem für Mexiko unseligen Tag“ eine demokratisch nicht legitimierte Regierung die Geschäfte übernehme. Bei den Wahlen habe die Bevölkerung für ein anderes Programm und einen anderen Kandidaten, Cuauthemoc Cardenas, gestimmt.

Unterstützung hatte Salinas im Ausland gesucht. Neben dem amerikanischen Außenminister Shultz und den Präsidenten Nicaraguas, El Salvadors, Guatemalas, Honduras‘, Argentiniens und Kolumbiens war auch Fidel Castro gekommen.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen