: Entschiedene ChristInnen
■ Adventsfeier bei einem traditionsreichen Verband nach amerikanischem Muster
Weil man immer wußte, daß man irgendwo dazugehörte. Weil man gemeinsam sang. Weil es immer so wunderschön war: Deshalb war die 87jährige vor 70 Jahren bei „EC“ („Entschiedenes Christentum“) eingetreten und bis heute dabei geblieben, erzählte sie bereitwillig. Und rund hundert weitere entschiedene ChristInnen saßen gestern dicht gedrängt an langen schnurgeraden Tischreihen - Tannenzweige, selbstgebackene herrliche Torten und Kaffee mit und ohne Coffein vor sich, die Liederbücher neben sich, und feierten Advent. Ich als Fremde bekam sofort und freundlich Platz und Plätzchen angeboten und ein Liederbuch in die Hand, damit ich „Macht hoch die Tür“ zu zwei Bläsern und Klavier gleich mitsingen konnte.
Ein bißchen „mißverständlich“ findet der zweite Vorsitzende, Karl-Heinz Rathjen, dieses Wort „entschieden“. Das soll nicht gegen die anderen Christen gehen: „Wir sind alle Kirchenmitglieder! Wir gehen mit der Kirche und sind neben ihr - aber nicht unter ihr!“ Sogar zwei Pastoren der bremischen evangelischen Kirche sind als Mitglieder dabei. Aber die normale Amtskirche ist den Entschiedenen eben nicht entschieden genug. „Es geht um die Begegnung mit Christus“, erklärt mir mein Tischnachbar, und die findet man in der Bibel: „Die Freude, die Befreiung, die der Mensch da erfährt, wollen wir weitertragen.“ Dazu gibt es Bibelkreise und kleinere Hauskreise. Das EC-Programm für Dezember bietet für jeden Tag mindestens eine, oft auch mehrere Aktivitäten an: Bibelstunden, Mutter-und-Kind-Gruppen, Gebetskreise.
Heute ordnet sich EC eher der orthodoxen, evangelikalen Richtung unter, die sich vor allem als „Lebensschützer“ einen umstrittenen Namen machten. Die Tradition ist da nicht so eindeutig. Mit dem koedukativen Konzept der Kirchengruppen für Jungen und Mädchen nach amerikanischem Muster war EC um die Jahrhundertwende der Amtskirche glatt ein Stück voraus. Und als im Nationalsozialismus Pastoren mit Kanzelverbot aus der Stephani-Gemeinde flogen, predigten sie bei EC, die sich zur Bekennenden Kirche zählte, weiter und ein Gestapo-Mann schrieb mit, was da von der Kanzel kam. Nicht mit der lutherischen, „mehr obrigkeitlichen Richtung“, so höre ich, sondern mit der reformierten habe man sich zusammengetan. „Als es aber nach dem Kriege in der Stephani -Gemeinde weiterging mit Anti-AKW-und Anti-Wehrdienst -Aktionen, da haben wir uns anders entwickelt, da war ja dann auch Frieden“, erklärt Rathjen.
Eins ist den Entschiedenen klar: Abtreibung ist Mord. Und mit der liberalen Richtung, die auch noch mit „Gott-ist-tot“ -Theologie predigen kann und manches in der Bibel nicht gleich wörtlich nimmt, hat man nichts im Sinn: „Wir sind keine Fundis. Wir wollen nicht nur die Deckel der Bibel, sondern auch die Seiten drin.“
Mit der Amtskirche geht EC also nicht autoritätshörig um. „Man soll Gott mehr gehorchen als den Menschen. Aber wenn einer mit Charisma kommt“, so Rathjen, „dann gehen wir für den auch durch Feuer und Flamme!“
Susanne Paa
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