: „Sparkessel“ vor Gericht
■ Vor dem Bremer Verwaltungsgericht wird heute gegen die Videoüberwachung von Demonstrationen verhandelt
Am 2. Juli 1985 hatten sich Demonstranten vor dem Bremer Hauptbahnhof versammelt, um gegen die die Munitionstransporte der US-Armee durch die Wesermarsch und Bremen zu demonstrieren. Mit dabei: Ein großes Polizeiaufgebot. Als der Zug sich Richtung Brill in Bewegung setzte, bildete die Polizei Ketten links und rechts des Zuges, den Bremer „Sparkessel“. Vorweg fuhr ein Polizeiwagen, von dem aus mit zwei Videokameras gefilmt wurde. Mindestens fünf Beamte knipsten zudem fleißig Fotos der Demonstranten.
Ist diese Art der Informationsgewinnung rechtmäßig? Darf die Polizei mit der lapidaren Begründung, es sei Gefahr im Verzuge, Bürger, die ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen, beliebig überwachen, photographieren und so registrieren? Heute wird sich das Bremer Verwaltungsgericht in einem bundesweit bislang einmaligen Verfahren mit diesen Fragen auseinan
derzusetzen haben.
Zwei Bremer haben gegen den Innensenator als für den Polizeieinsatz Verantwortlichen geklagt. Reinhard Engel, einer von ihnen, verweist auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, in dem es heißt: „Es ist nicht Aufgabe der Polizei, Vorgänge des Zeitgeschehens wie etwa die rechtmäßige Ausübung des Versammlungsrechtes, aus Gründen der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung (...) lückenlos und gleichsam auf Vorrat aufzuzeichnen. Dieses müßte im Gegenteil erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen.“ Das Bremer Polizeigesetz von 1983 entspricht diesem Urteilstenor jedoch nicht. Danach ist die Informationsgewinnung der Polizei lediglich an die Bedingung geknüpft, daß Polizisten als solche kenntlich sein müssen.
hbk
Mündliche Verhandlung heute um 9.00 Uhr im Verwaltungsgericht, Altenwall 6, II. Obergeschoß.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen