: Dreckschleuder Schering
■ Pharmakonzern bläst von Weddinger Werksgelände jährlich 300 Tonnen Schadstoffe in die Luft / Schering verweigert Angaben aus Konkurrenzgründen
Trotz der verschärften gesetzlichen Anforderungen zur Reinhaltung der Luft ist der Pharmakonzern Schering in der Stadt immer noch einer der größten Emittenden von organischen Luftschadstoffen.
Dies geht nach Aussage der AL aus einem ihr vorliegenden internen Gutachten des Umweltsenats hervor. Danach werden bei insgesamt sieben Produktionsgebäuden am Schering -Standort Müllerstraße die Grenzwerte der TA (Technische Anleitung) Luft bis zum Achtfachen überschritten. Zusammen blasen die chemischen Anlagen in den Gebäuden laut Gutachten stündlich fast 100 Kilogramm an konzentrierten Schadstoffen in die Luft - überwiegend Lösungsmitteldämpfe. Nach einer Hochrechnung des wissenschaftlichen Mitarbeiters Thomas Schwilling sind das übers Jahr gerechnet rund 300 Tonnen, darunter große Mengen krebsverdächtiger Lösungsmittel.
Der Senat selbst und die Schering AG weigern sich jedoch, Angaben über Art und Menge der Schadstoffe zu machen. Die AL -Abgeordnete Nitz-Spatz wurde jetzt auf eine Kleine Anfrage abgebügelt. Eine nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz erforderliche Zustimmung des Anlagenbetreibers zur Offenlegung der Angaben habe nicht erreicht werden können, teilte Umweltsenator Starnick in seiner - noch unveröffentlichten - Antwort mit. Starnick wiegelte ab: Schering emittiere überwiegend weniger giftige Stoffe.
Wie es in der Antwort weiter heißt, könne von erhöhten Schadstoffemissionen im Umkreis des Weddinger Schering -Werksgeländes keine Rede sein. Eingeräumt wurde aber auch, daß Messungen 1984 noch in anderthalb Kilometer Entfernung stadtweit die höchste Luftkonzentration des Lösungsmittels Dichlormethan ergeben hätten. Dieses schwer abbaubare Lösungsmittel gilt als möglicherweise krebserregend und erbgutschädigend. Außerdem ist es wahrscheinlich, daß Schering größere Mengen leichtflüchtiger Lösungsmittel über die Abwasserkanalisation beseitigt, mit der Folge, daß diese Stoffe in die Luft verdampfen.
Nur „Minimengen“ nicht sofort abbaubarer Lösungsmittel wanderten in die öffentliche Schmutzwasser-Kanalisation, beteuert demgegenüber der Sprecher des Chemiekonzerns, Wlasich.
Gleichzeitig betont er, daß Schering auch in Zukunft nicht daran denke, Daten über Art, Menge, räumliche und zeitliche Verteilung der vom Werk ausgehenden Luftverunreinigungen an die Öffentlichkeit zu geben. Seine Begründung: Wenn Angaben über die einzelnen emittierten Lösungsmittel bekannt werden, kann die Konkurrenz daraus schließen, an welchen neuen Hormonverbindungen Schering arbeitet.
thok
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