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Gatt-Konferenz beginnt mit harten Fronten

■ In Montreal wollen die Handelsminister Halbzeitbilanz der vierjährigen Konferenz ziehen

Bonn (dpa) - Feierlich verpflichteten sich die Minister, den Protektionismus einzudämmen und die Störungen des Welthandels zu beseitigen. Dies war vor zwei Jahren im uruguayischen Seebad Punta del Este. Vom 5. bis 8.Dezember wollen die Handelsminister des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (Gatt) jetzt in Montreal zur Halbzeit der 8. Gatt-Runde eine Zwischenbilanz der Deklarationen vom 21.September 1986 ziehen. Dazu gehören 24 Industriestaaten, 70 Entwicklungs- und vier Ostblockländer. 1990 soll das Gesamtvertragswerk des Gatt stehen.

Schon vor Konferenzbeginn ist die Bilanz ernüchternd. Der Protektionismus breitete sich weltweit lawinenartig aus. Nach Schätzungen von Experten werden nur noch die Hälfte des Welthandels unbehindert nach den Gatt-Regeln abgewickelt. Jüngstes Beispiel: Das von der Europäischen Gemeinschaft (EG) ab 1989 verfügte Importverbot für sogenanntes Hormonfleisch. Was die Brüsseler EG-Kommission als Maßnahme des Gesundheitsschutzes ausgibt, ist für die USA eine eindeutige Verletzung des freien Handels, lautstark wurden Gegenmaßnahmen angedroht.

Auf den Agrarmärkten sieht es am schlimmsten aus. Schon lange gelten dort nicht mehr die Gesetze von Angebot und Nachfrage. Die Wirtschaftsgiganten EG und USA hätschelten ihre landwirtschaftliche Massenproduktion und verschleuderten den produzierten Überschuß auf den Weltmärkten. Die Agrarsubventionen der westlichen Industriestaaten werden auf über 400 Milliarden Mark geschätzt. Bei diesem Subventionswettlauf kamen die armen Agrarstaaten der Dritten Welt nicht mehr mit.

Die Liste der Erfolgsmeldungen ist vergleichsweise kurz. Dazu zählt etwa das Freihandelsabkommen zwischen den USA und Kanada oder die Bereitschaft der skandinavischen Länder, ihre Grenzen für Textilimporte zu öffnen.

Auch wenn in Montreal keine endgültigen Entscheidungen gefällt werden, stehen die Handelsminister doch unter einem gewissen Erfolgsdruck. Eine bloße Wiederholung hehrer Grundsätze wäre ein Fehlschlag und würde die ganze „Uruguay -Runde“ in Frage stellen. Höchstens das relativ hohe Wirtschaftswachstum könnte indes zu einem Erfolg führen. Der Welthandel wuchs 1988 prächtig um acht Prozent und dürfte auch im kommenden Jahr um weitere fünf Prozent expandieren. Diese günstige Gelegenheit dürfe man nicht vergeben, meint der stellvertretende Bonner Delegationsleiter Lorenz Schomerus, Chef der Außenwirtschaftsabteilung des Bundeswirtschaftsministeriums.

Die 8.Welthandelsrunde könnte zur Bewährungsprobe für das Gatt werden. Für den US-Handelsbeauftragen Clayton Yeutter ist die „Uruguay-Runde“ die wichtigste seit der Gründung des Gatt. Die Aufgaben vorausgegangener Gatt-Runden, wie weltweite Zollsenkungen, waren weitaus leichter zu lösen, als das jetzt zur Verhandlung stehende Problemknäuel. Viel stärker als früher will dieses Mal das GATT in die Wirtschaftpolitik der Mitgliedsländer eingreifen.

Die Entwicklungsländer wollen mehr ihrer tropischen Produkte auf den Märkten der Industrieländer absetzen und wollen das Kartell des Welttextilabkommens, das einen ihrer konkurrenzfähigen Exportsektor behindert, beenden. Die Industrieländer verlangen einen wirksamen Schutz geistigen Eigentums, was manchem „Markenpiraten“ in den Schwellenländern den Garaus machen würde. Nur schwer können sich die Entwicklungsländer mit dem Thema Dienstleistungen anfreunden, das erstmals auf die Gatt-Tagesordnung kam. Die Industrieländer, allen voran die USA, fordern freie Fahrt für ihre elektronischen Medien und Finanzdienstleistungen. Jetzt setzt die Dritte Welt aber den mächtigen Banken und Versicherungen Europas, Asiens und Amerikas ihr Dienstleistungsplus gegenüber: Billige Arbeitskraft, die etwa auf den Baumärkten der Industrieländer eingesetzt werden könnte, was diesen wiederum nicht schmeckt.

Verlaufen die Fronten in vielen Bereichen zwischen der entwickelten und der unterwickelten Welt, geht bei der Landwirtschaft alles durcheinander. Die großen Agrarproduzenten USA, Kanada, Australien, Argentinien, Brasilien und die südostasiatischen ASEAN-Länder stehen vereint gegen die Subventionitis der EG. Die USA legten einen Radikalvorschlag auf den Tisch: Null-Subventionen bis zum Jahr 2000. Soweit mögen die Europäer nicht gehen, die allenfalls bereit sind, die Agrarsubventionen kurzfristig einzufrieren und langfristig über deren Abbau zu reden.

Kurz vor Konferenzbeginn fuhr Yeutter deshalb schon schweres Geschütz gegen die europäischen Subventions-Sünder auf. Er werde lieber ohne Ergebnis aus Montreal zurückkehren als einen lauen Kompromiß akzeptieren. „Wir werden unsere Seelen nicht verkaufen.“ Für den Fall eines Scheiterns der Konferenz drohte Washington schon harte Vergeltungsmaßnahmen an.

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