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Roh kappt Bindungen zum alten Regime

■ 20 von 23 Kabinettsmitgliedern in Südkorea ausgewechselt / Opposition kündigt Ablehnung der neuen Minister an

Seoul (afp/dpa) - Um das „negative Vermächtnis der vergangenen Ära“ unter Ex-Diktator Chun Doo-Hwan zu beseitigen, hat Südkoreas Präsident Roh Tae Woo am Montag 20 der insgesamt 23 Mitglieder seines alten Kabinetts ausgwechselt. Zum neuen Ministerpräsidenten ernannte Roh den 66jährigen ehemaligen General Kang Young Hoon, der unter Chun als Botschafter in London und beim Vatikan diente.

Ungewiß blieb jedoch zunächst, ob das Parlament dem neuen Regierungschef sein Vertrauen aussprechen wird. Die drei Oppositionsparteien, die derzeit mit 166 von insgesamt 299 Mandaten über die Mehrheit in der Nationalversammlung verfügen, haben bereits mit ihrer Ablehnung gedroht. Sie zweifelten am Willen der neuen Regierung, die angekündigten demokratischen Reformen tatsächlich entschlossen voranzutreiben. Der Führer der oppositionellen Partei für Frieden und Demokratie (PDP), Kim Dae-Jung wies darauf hin, daß mehrere der Minister Chuns Diktatur unterstützt hätten. Gemeint waren vor allem Innenminister Lee Han-Dong sowie der neue und alte Minister für Regierungsverwaltung, Kim Yong Kap.

Zum Chef des mächtigen Geheimdienstes ernannte Roh den Präsidenten des Organisationskomitees der Olympischen Spiele, den Ex-General Park Seh Jik.

Die südkoreanische Geschäftswelt begrüßte die Ernennung des renomierten Wirtschaftswissenschaftlers Cho Soon zum stellvertretenden Ministerpräsidenten und Minister für Wirtschaftsplanung mit einem lebhaften Aktiengeschäft. Innerhalb kürzester Zeit stieg der Aktienindex an der Seouler Börse um 5,53 Punkte auf eine neue Rekordhöhe von 839,4.

Am Freitag abend hat Südkoreas Nationalversammlung das erste Mal in ihrer Geschichte die Verteidigungsausgaben drastisch um 321 Millionen Mark beschnitten. Dies macht allerdings mit 15,3 Milliarden Mark ein Drittel des Gesamtetats aus.

Mit der Regierungsumbildung beugt sich Roh dem immer stärker werdenden öffentlichen Druck, alle Verbindungen zur Regierung des „in Ungnade gefallenen“ Ex-Präsidenten Chun Doo Hwan zu lösen. Roh hatte in einer spektakulären Fernsehansprache um Vergebung für die Menschenrechtsverletzungen während der Amtszeit seines Klassen und Partei-Kameraden Chun gebeten. Die Studenten geben sich mit „inneren Emigration“ des Diktators in die Abgeschiedenheit eines Klosters nicht zufrieden. Sie fordern dagegen weiterhin die Verhaftung des Ex-Diktators.

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