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Beweglicher Kessel vor Gericht

Zum ersten Mal wird in der Bundesrepublik die „einschließende Begleitung“ und Observation von Demonstrationen durch die Polizei juristisch überprüft / Gericht verhandelt über Bremer Kessel von 1985  ■  Von Holger Bruns-Kösters

Bremen (taz) - Der Saal des Bremer Verwaltungsgerichtes reichte nicht aus für die etwa hundert BesucherInnen. Und so zog das Gericht kurzerhand um in einen Sitzungssaal des benachbarten Polizeigebäudes. Dort auf der Bank der Beklagten: zwei hohe Bremer Polizeibeamte in Vertretung für den Bremer Innensenator.

Der Anlaß für das Verfahren liegt inzwischen bereits dreieinhalb Jahre zurück. Am 2. Juli 1985 hatten sich mehr als 500 DemonstrantInnen vor dem Bremer Hauptbahnhof versammelt, um zum Abschluß einer Aktionswoche noch einmal gegen die Munitionstransporte aus Nordenham über Bremen zu demonstrieren. Bevor sich der Demonstrationszug in Bewegung setzen konnte, bildete die Polizei links und rechts des Zuges Ketten. Vorweg fuhr ein Polizeiwagen, von dem aus mit zwei Videokameras gefilmt wurde. Mindestens fünf Polizisten knipsten zudem fleißig Fotos von den DemonstrantInnen.

Die Observation und die einschließende Begleitung der Demonstration war rechtswidrig. Das wollen jetzt zwei der Demonstranten vom Verwaltungsgericht feststellen lassen. Ein Verfahren mit bundesweiter Bedeutung: denn bislang haben sich bundesdeutsche Verwaltungsgerichte noch nicht damit befaßt, ob diese immer häufiger angewandte Polizeitaktik mit dem Versammlungsgesetz vereinbar ist.

Der Chef der Schutzpolizei, Lohse, begründete das Vorgehen der Polizei mit einer „aggressiven Grundhaltung“ der DemonstrantInnen. In den Tagen zuvor seien Bahngleise blockiert und Parolen gesprüht worden. Es habe die Gefahr bestanden, daß sich der Zug, anders als angemeldet, wiederum zu Blockadeaktionen zu den Gleisen begebe. Bei der Wahl der Polizeitaktik, ergänzte der Anwalt, reiche die Prognoseebene, daß es zu Gewalttaten kommen werde. Im Rückblick dürfe die Prognose nicht überfordert werden.

Demgegenüber argumentierte der Kläger Reinhard Engel, daß das Bundesverfassungsgericht im sogenannten Brokdorf-Urteil festgestellt hat, daß Demonstrationen unreglementiert und staatsfern ablaufen sollten.

Dieser Charakter sei durch die einschließende Begleitung völlig aufgehoben worden. „Dies war ein Eingriff in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit“, so Engel. Auch Verwaltungsrichter Hasso Kliese hatte offensichtlich Einwände gegen die Polizeimaßnahmen. „Es muß eine unmittelbare Gefahr bevorstehen. Auf Vorrat photographieren, das geht nicht.“

Das Urteil wird den Parteien schriftlich zugestellt.

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