: Die Neuaufteilung der Welt
■ Wer bei der neuen Fernsehtechnik die Nase vorn hat, dem winkt eine Goldgrube
Vor zwanzig Jahren wurde erbittert gerungen, jeder Winkelzug genutzt, die jeweiligen Regierungen zu Werbevertretern degradiert, die mit Wirtschaftshilfe oder Handelsverträgen winkten, um die Konkurrenz auszustechen. Was damals der weltweiten Verbreitung der Farbfernsehsysteme galt, dem deutschen PAL, dem französischen Secam oder der amerikanischen NTSC-Norm, steht nun in noch größerem Maße bei der neuen Generation der TV-Geräte an. Den Fernsehkonsumenten wird der Fernseher der Zukunft: Großbild, gestochen scharfes Bild und CD-Tonqualität, versprochen, für die auf einen gesättigten Markt operierende Industrie aber geht es vor allem um die Neuaufteilung der Welt.
Spätestens bis zur Jahrtausendwende soll das sogenannte High Definition Television (HDTV) in den Wohnzimmer flimmern; pardon, gerade flimmern soll die neue Technik nicht mehr. Kernpunkt des neuen Systems ist nämlich eine augenfreundliche Verdoppelung der Bildzeilen auf über tausend. Doch damit hört die Gemeinsamkeit bei den Konkurrenten schon auf. Die Japaner, die die Nase in der Entwicklung vorn haben, arbeiten mit 1.125 Zeilen, das europäische System soll 1.250 Zeilen haben und ein sowjetisches System hat 1.350 Zeilen. Die Amerikaner, in der Forschung bislang zurück, haben Zusatz Bedingungen formuliert, was das neue System können muß - und zwar so, daß keiner der Konkurrenten dies bislang erfüllen kann.
Das Spiel mit den Unvereinbarkeiten hat selbstverständlich System. Schließlich geht es um einen Zukunftsmarkt von mindestens 500 Milliarden Mark. Und den will jeder für sich allein haben. „Wer die Norm hat, hat die Märkte“, hat nicht nur Forschungsminister Riesenhuber erkannt. Die Japaner haben bereits vor zwei Jahren handstreichartig - und vergeblich - versucht, ihre Technik beim internationen Normengremium der Fernsehbranche als verbindlich unterzubringen. Schließlich geht es um nichts weniger als eine Goldgrube. Entschließt sich ein Land zur Übernahme, wird es über die Versorgung der Infrastruktur und der Geräte zur dauernden Beute der Unternehmen: Eine Systementscheidung ist nahezu nicht mehr rückgängig zu machen, lehrte die Vergangenheit. Für die Übertragung sind neue Kameras nötig, die Fernsehanstalten können ihre Ausstattung auf den Müll werfen und für den Empfang sind neue Spezialsatelliten notwendig.
In Europa soll die Fernsehzukunft bereits 1992 beginnen mit „sanftem Übergang“, ohne abrupten Bruch mit der herkömmlichen Technik. Riesenhuber begründet den frühen Termin - schließlich sind die dafür notwendigen Flüssigkeitskristall-Bildschirme noch längst nicht einsatzfähig - mit der Notwendigkeit, möglichst früh den europäischen Markt mit europäischen Normen abzuschotten. Auf der gerade beendeten EG-Gipfelkonferenz in Rhodos machte sich der französische Staatspräsident Mitterrand nachdrücklich für die Technik stark - schließlich sind gerade die französischen Konzerne in der Forschung führend.
Man müsse verhindern, daß Japan die Europäer vom Weltmarkt verdränge, redete der EG-Präsident Delors Klartext. Deswegen soll die europäische Forschungsinitiative EUREKA die Sache schnellstens voranbringen, vereinbarten die Staatsoberhäupter. „Erfolg oder Mißerfolg hier entscheiden über das Schicksal des ganzen Industriezweiges“, weiß Forschungsminister Riesenhuber.
gn
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