: Bayern richtet „Reservat“ für einen Türken ein
Nürnberg will einem Türken jegliche politische Betätigung verbieten / Aufenthalt unbefristet räumlich beschränkt / Bayerisches Innenministerium weist an ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler
Die Stadt Nürnberg beabsichtigt, einem türkischen Staatsangehörigen ohne zeitliche Beschränkung und konkreten Anlaß „die politische Betätigung zu untersagen und den Aufenthalt auf den Bereich Mittelfranken zu beschränken“. Bei diesem Vorgehen gegen den 24jährigen Cengiz Y., der seit seinem neunten Lebensmonat in der BRD lebt, beruft sich die städtische Ausländerbehörde auf die Paragraphen 6 und 7 des Ausländergesetzes.
Als Rechtfertigung für die zeitlich unbefristeten Maßnahmen gegen Cengiz Y. führt die Ausländerbehörde „Erkenntnisse des Bayerischen Staatsministeriums des Innern“ an. Ohne dies zu konkretisieren, wird Cengiz Y. aufgefordert, sich innerhalb der nächsten drei Wochen dazu zu äußern. Laut Auskunft des Leiters des Einwohnermelde- und Paßamts der Stadt Nürnberg, Heinz Fichtl, habe die Ausländerbehörde entsprechend einer Weisung aus dem Bayerischen Innenministerium gehandelt. Demnach lägen Berichte des Landesamtes für Verfassungsschutz aus den Jahren 1982 bis 1988 vor, wonach Cengiz Y. „verfassungsfeindliche Organisationen mittel- und unmittelbar unterstützen“ soll. In den Vfs-Berichten sind u.a. der „Arbeiterbund zum Wiederaufbau der KPD“, der „Bund demokratischer Jugend“ und die „Initiative zur Vereinigung der revolutionären Jugend“ aufgelistet. Auch ein von Y. als Kreisvorstand der Jungen Presse Bayern unterzeichnetes Flugblatt, das Grüne als auch SPD-Politiker ebenfalls unterzeichnet haben sowie die Teilnahme an einer unangemeldeten Demonstration vor dem türkischen Konsulat werden aufgeführt. Die beiden letzten Punkte dienten auch als Begründung für die Ablehnung des Einbürgerungsantrags von Cengiz Y. im Jahr 1986.
Ausländerbeirat, Vertreter von SPD, Grünen und DGB kritisieren die beabsichtigten Maßnahmen der Ausländerbehörde scharf. Damit würde für Cengiz Y. das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung generell außer Kraft gesetzt. Mit der unbefristeten räumlichen Aufenthaltsbeschränkung würden „Reservate“ für Ausländer geschaffen. Kommentar Seite 4
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