: Hempel-Männer belieferten auch Israel
Die Düsseldorfer Alfred Hempel AG verschob Schweres Wasser auch nach Israel / 15 Jahre erfolgreich auf dem atomaren Schwarzmarkt operiert / Hempel-Manager heute vor dem Bonner Untersuchungsausschuß ■ Von Thomas Scheuer
Die wegen dubioser Atomschiebereien bekannt gewordene Düsseldorfer Firmengruppe Alfred Hempel AG hat auch Israels Atomiker mit Schwerem Wasser beliefert: Nach Recherchen der taz ließ die Hempel-Firma Rohstoff-Einfuhr-GmbH. 1974 vier bis fünf Tonnen Schweres Wasser (Deuteriumoxid D20) - sehr wahrscheinlich sowjetischer Herkunft - über eine Partnerfirma in Luxemburg in Israels streng geheim gehaltenes Atomprogramm fließen. Dies bestätigten der taz jetzt unabhängig vonein ander zwei ehemalige Mitarbeiter Hempels.
Mit Schwerwasser-Reaktoren kann - ohne die teure und technisch komplizierte Anreicherung aus Natururan - direkt Plutonium gewonnen werden. Der Handel mit D20 unterliegt daher ab einer Tonne internationaler Meldepflicht. Seit bald 15 Jahren betreibt die Hempel-Gruppe neben ihren seriösen Atomgeschäften in Europa (sie besitzt die Exklusivrechte für sowjetischen Anreicherungsservice; Volumen dieser Provisionsgeschäfte pro Jahr: 200 Millionen Mark!) rege Schwarzmarktgeschäfte mit Staaten, die den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet haben. Durch Presseberichte wurde in diesem Frühjahr bekannt, daß die Hempel-Männer im Dezember 1983 15 Tonnen D20 aus Norwegen zusammen mit 7 Tonnen aus der UdSSR via Basel und Dubai nach Indien geschleust hatten; im Sommer 1985 leiteten sie dann erneut rund 7 Tonnen aus der UdSSR via Schweiz und Dubai nach Indien um.
Recherchen der taz ergaben dann, daß Hempel schon viel früher, nämlich schon Mitte der 70er Jahre, rege auf dem strahlenden Schwarzmarkt mitmischte: 1975 belieferte er über eine Tarnfirma in Genf die Erzrivalen Pakistan und Indien gleichzeitig mit Schwerem Wasser und anderen Komponenten (siehe taz vom 13.10.88). Beim Israel-Deal 1974 gab es Ärger: Die Israelis rückten die teuren Spezialbehälter nicht wieder heraus; die Sowjets stellten sie in Rechnung. Vor dem Luxemburger Handelsgericht kam es zwischen Hempel und seinen Luxemburger Schieber-Partnern zum Prozeß, wer den Sowjets die rund 47.000 Mark für die Fässer zu erstatten habe: Die Luxemburger mußten blechen (Urteil Nr. 461/76 vom 25.11.76).
Diese scheinen öfters in Proliferation zu machen: 1985 entdeckten Safeguards der Euratom-Kontrollbehörde in Luxemburg, daß 40 Tonnen angereichertes Uran von British Nuclear Fuels in Sellafield an eine Firma in Luxemburg verkauft und von dort nach Israel verschoben worden waren. Der Fall wurde in der geheimen Euratom-Buchhaltung offiziell als „Abzweigung“ eingestuft. Bei der Luxemburger Firma handelte es sich um die InternationalMetalsS.A. Just mit deren Tochterfirma, LaContinentaleNucleaire (sie heißt heute ProduitsChemicals), hatte Hempel 1974 seinen Israel-Deal arrangiert.
Auch Hempels Schieber-Gang scheint bis in die jüngste Vergangenheit aktiv gewesen zu sein: Nach Erkenntnissen des Bundesnachrichtendienstes (BND) „bemühten“ sich die Düsseldorfer um die Jahreswende 1986/87 in China um 17 Tonnen Schweres Wasser für genau 17 Kunden in Europa. Der Vorgang, so die BND-Beobachter, zeige „auffallende Parallelen“ zu dem Schweiz-Transfer vom Sommer 1985: Auch damals war die Gesamtmenge in Teilmengen von jeweils knapp unter der meldepflichtigen Grenze von einer Tonne für angebliche Abnehmer in Europa gesplittet, dann aber auf dem Flughafen Zürich-Kloten zusammengefaßt und nach Indien umgeleitet worden.
Nach einem der taz vorliegenden US-amerikanischen Papier leitete Hempel im Januar 1987 4 Tonnen Schwerwasser, die ursprünglich via Schweiz verschoben werden sollten, nach Amsterdam. In der Schweiz war das Pflaster vorübergehend zu heiß geworden. In Amsterdam wurde der Stoff von einer Chartermaschine der Air India abgeholt. (Nach dem US -Memorandum sollen in Amsterdam seinerzeit weitere Ladungen erwartet worden sein.) Dabei könnte es sich um Teilmengen der in dem BND-Bericht erwähnten 17 Tonnen gehandelt haben.
Laut BND bot Hempel zur gleichen Zeit der pakistanischen Atomenergiekommission Borkarbid an. (Borkarbid dient als Absorbermaterial im Reaktorbau.) Mit China ist Hempel seit 1980 dick im Geschäft.
Über die in der schweizerischen Steueroase ansässige Briefkastenfirma ORDAAG versorgte er die Atomprogramme Südafrikas und Argentiniens mit Spaltmaterial und D20 aus chinesischer Produktion.
Befreundete Regierungen und Geheimdienste wiesen die Bundesregierung wiederholt auf Hempels Machenschaften hin. Der Atom-Untersuchungsausschuß des Bundestages, der sich seit Sommer auf Drängen der SPD mit Hempels dubiosen Geschäften befaßt, wird heute erneut Hempel-Geschäftsführer Helmut Swyen vernehmen. Dann haben die Hempel-Männer erst mal Ruhe.
Die CDU-FDP-Mehrheit blockiert nämlich die weitere Durchleuchtung der Hempel-Affäre mit der vom Oberverwaltungsgericht Münster zurückgewiesenen Begründung, sie falle nicht unter das Mandat des Untersuchungsausschusses.
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