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Grüner im Schmollwinkel

■ Innenpolitiker Martin Thomas straft Fraktion durch vierwöchige Sprachlosigkeit

Fall eins: In der Bremer Bürgerschaft wird ein neuer Innensenator gewählt. Eine Herausforderung für die Damen und Herren Innenpolitik-ExpertInnen der Opposition, zumal der Senats-Kandidat dankbarerweise auch noch Peter Sakuth heißt und Peter Sakuth ist, sollte man meinen. Der innenpolitische Sprecher der Grünen heißt Martin Thomas und macht seinem Titel wenig Ehre. Er schweigt. Fall zwei: Haushaltsberatungen. Alle müssen sparen. Bei der Polizei wird dank Rösner, Degowski und Untersuchungsausschuß geklotzkleckert. Aus grüner Sicht böte sich vielleicht eine Rede an, daß auch mit funkelnagelneuen Mannschaftswagen und schicken Schulterklappen mit modischen Sternchen noch lange kein Beamter schneller ans Telefon rangeht, wenn Geiseln in Lebensgefahr 110 wählen. Aber: Der innenpolitische Grüne Thomas schweigt.

Zwar ist von Thomas bekannt, daß er sich alljährlich einen vierwöchigen Besinnungsurlaub in einem Kloster mit strengstem Redeverbot verordnet. Daß er diesen Urlaub ausgerechnet in Sitzungsperiode und Plenum der Bürgerschaft verlegt hätte, ist bislang allerdings nicht bekannt gewesen. Thomas‘ beharrliches Schweigen erklärt sich anders. Er schmollt. Und zwar weder mit Peter Sakuth noch über den Polizei-Etat, sondern gegenüber der eigenen Fraktion. Dort hatte man ihm nämlich nur die dritte von drei grüngeplanten Redebeiträgen zur Senatsumbildung zubilligen wollen: Thomas sollte sozusagen ins Sakuth-Persönliche gehen, während das Politisch-Grundsätzliche dem Abgeordneten Fücks vorbehalten blieb, und fürs „Drittklassige“ war Thomas sich schlicht zu schade. Insbesondere nachdem er Anlaß sah, an der grundsätzlichen Loyalität der Fraktion ihm gegenüber zu zweifeln. Bei den peinlichen Eifersüchteleien, wer wann wie oft und mit wieviel Zeilen/Sendeminuten durch die Bremer Medienlandschaft geistert, hatte sich Thomas in den vergangenen Wochen schon öfters mit überproportionaler Präsenz unbeliebt gemacht.

Als Thomas der Innendeputation jüngst vollmundig einen eigenen Gesetzentwurf zur Neufassung des Beirätegesetzes angekündigt hatte, blieb er in der entscheidenden Sitzung im Regen stehen. Der Entwurf lag nicht vor, sondern ruhte noch im Kopf von Fraktionsgeschäftsführer Rainer Oellerich. Der eilte in die Sitzung und erläuterte statt des Abgeordneten die legislativen Vorstellungen der Grünen. Thomas fühlte sich etwas blamiert. Zum Trost sollte Thomas die grünen Beiratsvorstellungen wenigstens in einer Pressekonferenz vorstellen dürfen, mochte aber nun nicht mehr. Stattdessen verkündete er der Fraktion, für die kommenden vier Wochen strafend die Klappe zu halten.

Rosi Roland

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