: St.-Jürgens-Tribunal
■ Betr.: Brückner probt den Aufstand (taz v. 6.12.)
Von einem rechtsstaatlichen Verfahren kann im Untersuchungsausschuß St. Jürgen-Straße nicht mehr die Rede sein. Vielmehr wird ein öffentliches Tribunal gegen den ehemaligen SPD-Landesvorsitzenden Herbert Brückner inszeniert. Daß sich daran sämtliche Oppostionsparteien beteiligen, verwundert nicht, umso mehr aber die Tatsache, daß der praktizierende Rechtsanwalt und Ex-Juso („Marxisten in der Bürgerschaft“) Andreas Lojewski öffentlich behauptet, Brückner, dem wochenlang die Anhörung im Ausschuß versagt wurde, hätte sich mit seiner Aussage nicht entlasten können. Dieses zu äußern, lange bevor die Vernehmung der Zeugen abgeschlossen ist, kann nur als Inbegriff einer Vorverurteilung bezeichnet werden.
Will Lojewski alte Rechnungen mit Brückner begleichen oder sich den Parteirechten um Wedemeier andienen, die den unbequemen Landesvorsitzenden schon lange loswerden wollten?
Hinzu kommt, daß die unfaire Vorgehensweise des Ausschusses durch ein schwerwiegendes rechtspolitisches Problem begünstigt wird. Zwar garantiert das Grundgesetz den Verfahrensbetroffenen ein Recht auf Verfahrensbeteiligung, insbesondere auf rechtliches Gehör. Jedoch kennt das Untersuchungsausschuß-Gesetz den Betroffenen-Status nicht. Nicht erfaßt werden somit die Rechte der Beschuldigten. Ein unhaltbarer Zustand, der von der Bremischen Bürgerschaft alsbald geändert werden muß.
Thomas Schlingmann (Mitglied im Vorstand der JUSO -Hochschulgruppen Bremen).
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