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Ein AKW fährt Autobahn

■ Durch die technische Ausstattung der Atommeiler wird der Streik in französischen AKWs zum Sicherheitsrisiko

Paris (taz) - Montag morgens, wenn viele Hausfrauen Wasch und Spülmaschinen anwerfen, wenn alle Industrieanlagen auf Hochtouren gefahren werden, dann laufen die Stromzähler in Höchstgeschwindigkeit. Schwankungen gibt es täglich, wöchentlich und selbstverständlich jahreszeitlich.

Während in anderen Ländern diese Spitzenlast, also der Höchstverbrauch an Strom, durch konventionelle Kohle-, Öl-, oder Gaskraftwerke gedeckt werden kann und die AKWs die Grundlast übernehmen, war dies in Frankreich seit Mitte der 80er Jahre nicht eingeplant. Auch den Spitzenverbrauch sollte der Atomstrom sichern - konventionelle Kraftwerke wurden stillgelegt. Doch AKWs sind im Prinzip schlecht geeignet, zusätzliche Kilowatts kurzfristig und auf kurze Dauer zu liefern. Es mußte gebastelt werden, auf Kosten der Sicherheit. Französische AKWs sichern 75 Prozent des Stromverbrauchs; zu lauen Verbrauchszeiten sind aber nicht einmal alle AKWs nötig. Deshalb hat man die neuen Atomblöcke so ausgelegt, daß sie nicht nur schwachen Netzschwankungen folgen, sondern innerhalb weniger Minuten bis zu 70 Prozent ihrer Leistung runter- und wieder rauffahren können.

Abgesehen von dem zusätzlichen Aufwand an Steuerungstechnik bedeutet vor allem der gewaltige Materialstress-Ventile auf und zu, Steuerelemente rein und raus-einen sicherheitstechnisch bedenklichen Verschleiß. Der nun seit neun Wochen anhaltende Streik in den AKWs mit ständigem Leistungswechsel kann dieses Problem noch verstärken. Er kann sie aber auch verringern, wenn, wie zum Beispiel, in Nogent, die Betriebsmannschaft den Reaktor auf 80 Prozent seiner Kapazität stetig „Autobahn fahren“ läßt.

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