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(Fahrrad-)Unterstand in (Auto-)Feindesland

■ In Moabit wird ein öffentlicher Fahrradständer gebaut: Häßlich, aber voll ökologisch und ein symbolisches „Bollwerk“ gegen Autofahrer

Das Ding erinnert an einen Westwall-Bunker: bombensichere, rostige Eisenprofile sind zu einem Unterstand verfugt, schwer lastet ein erdgefülltes Dach auf zwei Trägern, deren hochaufragende, zugespitze Enden Wehrhaftigkeit demonstrieren. Erdenschwere Sockel unterstreichen den Festungscharakter; das Bauwerk ist obendrein zur Gänze mit reichlich Buschwerk getarnt.

Das Ding ist eigentlich nur ein Fahrradständer, kürzlich preisgekrönt in einem Ideenwettbewerb, der ausgelobt war unter anderem von den Grünen Radlern, dem Bund Naturschutz (BUND), dem Allgemeinen Fahrradclub (ADFC), dem Fahrradladen „Velophil“ und Bewohnern des ehemals besetzten Hauses Jagowstraße 12 in Moabit. Vor deren Domizil soll der Fahrradständer (Entwurf: Jörg Hermann, Ulrich Miedler) aufgebaut werden - mit behördlichem Segen.

Das Tiefbauamt Tiergarten hat nämlich, erstmalig in Berlin, öffentliches Straßenland für einen überdachten Velo -Abstellplatz zur Verfügung gestellt und opfert dafür einen der raren Autoparkplätze am Straßenrand. Dieser Umstand hat - form follows function - direkt mit der bunkerähnlichen Bauweise des Velo-Unterstands zu tun. „Der Bollwerkcharakter ist beabsichtigt, der Fahrradständer soll ein Zeichen setzen gegen den Autoverkehr“, sagt ein Jurymitglied über die Bewertungskriterien bei der Preisvergabe.

Eigenartig: Die Fahrräder, die in der Nähe bei „Velophil“ verkauft werden, haben mit solch birkenstöckelndem Müslitum nichts zu tun. Leicht, lustvoll, modern, aus dem gleichen hochveredelten High-Tech-Material wie Autos gefertigt, warten sie darauf, im großstädtischen Verkehr mitzutun, manchmal sogar als zukunftsweisendes Verkehrsmittel überlegen zu sein. Das macht den Reiz des Radelns aus. Im Wettbewerb gab es Entwürfe, die - wenn es denn schon Symbolik bei Profanbauten sein muß - diesen Sinngehalt umsetzen: unbeschwerte, geschwungene, farbige Konstruktionen (zum Beispiel mit roten Wimpeln auf tragflächenförmigem Dach), manchmal von ironischem, postmodernem Frohsinn mit einem Modell aus bunten Bauklötzen. Doch die Jury fand mal die „Materialien ökologisch bedenklich“ oder mal „den Fußbereich nicht autoabweisend“. Also wird Berlin einen Fahrradbunker bekommen. Ob man demnächst auch auf seinem 16 -Gang-Citybike einen Blumentopf mitführen muß, zwecks Begrünung?

Die abgelehnten und die ausgewählten Entwürfe werden in Kürze für die Öffentlichkeit im Radlerzentrum, Schillerstraße 70, beim ADFC zu besichtigen sein.

tr

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