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Dissens nicht erwünscht

Anna Jonas, Lyrikerin und bisherige Vorsitzende des Schriftstellerverbandes, begründet ihren Austritt  ■ I N T E R V I E W

taz: Schon vor dem Kongreß haben Sie die Befürchtung geäußert, daß eine „kleine trainierte Gruppe von Politprofis“ aus Bayern den Durchmarsch organisieren würde. War Stuttgart der Triumph dieser Politprofis?

Anna Jonas: Ja. Ich sagte bewußt „Politprofis“ und nicht „Betonfraktion“ - ich mag diese Begriffe nicht, auch wenn sie naheliegen...

Die 'FAZ‘ schreibt, es sei nur noch die Ruine des VS geschleift worden. Der VS hätte nun politisch kaum mehr Bedeutung...

Es hätte in Stuttgart eine Chance gegeben, wenn die Delegierten in der Lage gewesen wären, einen kämpferischen Vorstand zu wählen, wie der letzte das war. Mit meinem Verzicht auf eine neue Kandidatur wollte ich den Punkt ganz deutlich machen: Wenn ein Vorstand mit diesem Anspruch, den wir hatten, wählbar gewesen wäre, dann wäre das ein Zeichen dafür, daß es im VS eine breitere Basis für eine autonome Politik des VS gibt. Aber genau das war nicht möglich.

Hauptgründe?

Nun, es zeigte sich, daß vor einem Jahr dieser Vorstand nur aus Angst vor Zerbrechen gewählt worden war. Das heißt: der bisherige Vorstand vertrat eine Minderheit und hatte damals nur eine Mehrheit gefunden, um zu verhindern, was jetzt eingetreten ist.

War der Anspruch der Schriftsteller auf Autonomie innerhalb der Gewerkschaft nicht ohnehin eine Fiktion?

Fiktion ist richtig. Allerdings, wenn Schriftsteller nicht mit Fiktionen arbeiten, wer soll's denn dann noch. Ich möchte mir diese politische Utopie erhalten und zwar gegenläufig zur sogenannten Realpolitik, um überhaupt Veränderungen denkbar zu machen. Da ich schließlich kein Politiker bin und auch nicht sein will, muß die politische Utopie mein Beitrag sein. Künstlerverbände bringen nur dann Impulse ein, wenn sie mit voller Autonomie politisch intervenieren können.

Was verlangt ihr also von der IG Medien?

Es ging nicht darum, ob wir uns überhaupt politisch äußern

-das wäre ja noch schöner, wenn das infrage gestellt würde

-es ging darum, ob die Positionen, die die Künstler vertreten, innerhalb der Gewerkschaften eine Stimme haben und Gewerkschaftspolitik mitbestimmen können. Aber es gibt amtierende Mehrheiten, und gegen diese amtierenden Mehrheiten war ich immer die einzige Gegenstimme oder die einzige Enthaltung. Und wenn dann gesagt wird, die Schriftsteller sollen sich Mehrheiten verschaffen, dann kann ich das nur als Zynismus empfinden. Ich sehe meine Aufgabe in Gremien nicht darin, Mehrheiten zu beschaffen, sondern zu argumentieren.

Nun haben die „Bayern“ um Bernd Engelmann mit der Gewerkschaft in Stuttgart ihre Linie durchgepowert. Heißt das nicht, daß die Gewerkschaft alles getan hat, um eine innergewerkschaftliche Opposition zu ersticken?

Ja. Es gibt ja Schriftsteller im VS, vorwiegend vertreten durch einige bayerische Schriftsteller, die seit Jahren schon Gewerkschaftsinteressen, speziell IG-Medien -Interessen, über die Interessen von Schriftstellern stellen. Wir brauchen aber Schriftsteller, die in der Gewerkschaft die Schriftsteller-Interessen vertreten.

Hat sich der Unwillen der Gewerkschaft, mit Dissens umzugehen, durchgesetzt?

Das glaube ich. Hensche und Müller haben ganz klar erklärt, daß sie unsere Forderungen - beispielsweise daß unsere Fachgruppe durch ihre authentischen Delegierten auf dem Gewerkschaftstag vertreten werden kann - politisch nicht wollen.

Sie und sieben andere SchriftstellerInnen sind ausgetreten. Werden weitere folgen?

Das könnte ich mir denken. Ich selber werde aber keinen neuen Verband gründen. Die jetzt ausgetretenen Autoren haben auch ohne Verband eine Stimme.

Interview: Klaus Hartung

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