: Gegen den Marsch ins Sektierertum
■ Der EG-Binnenmarkt wirft seine Schatten im Bankensektor voraus. „Wachse oder weiche“: Fusionen und Einstieg ins Versicherungswesen sind angesagt. Die taz sprach mit Ökobank-Sprecher Torsten Martin
taz: Die Grünen im hessischen Landtag haben die Fusionspläne der Hessischen Landesbank (Helaba) mit der Westdeutschen Landesbank (West LB) im Hinblick auf Europa 1992 ausdrücklich begrüßt. Was sagt die Öko-Bank zu dieser Begeisterung für große Einheiten?
Torsten Martin: Uns überrascht, daß die Grünen eine solche Konzentration unterstützen, wird doch der geplante Zusammenschluß an dritter oder vierter Stelle im bundesdeutschen Bankengewerbe stehen. Ich vermute, daß sich die Grünen dabei einiges gedacht haben. Wir sehen darin jedoch Probleme, daß durch solche Kartellierungen demokratische Elemente auf der Strecke bleiben.
Konsultieren die grünen Bankenpolitiker eigentlich vorschriftsmäßig Euch als Bankenbasis, bevor sie solche Erklärungen herausgeben?
(lacht) Nein, ich denke auch nicht, daß wir der Haupt -Bankberater für die Grünen sein sollten, obwohl ich natürlich jederzeit zu Beratungen bereit bin, wenn ich mich dafür kompetent fühle.
Die Grünen meinen ja offenbar, daß die Landesbanken durch die Besitzverhältnisse einer öffentlich-rechtlichen Kontrolle unterworfen sind, und setzen bei der Fusion auf eine Stärkung dieses Bankensektors.
Das ist zwar richtig. Andererseits gehören auch die Sparkassen zum öffentlichen Sektor. Die Realität zeigt aber gerade hier, daß die Sparkassen heute auf die vielfältigste Weise in die Rüstungsproduktion und in den Atomenergiebereich eingeschaltet sind.
Was meint ihr denn zur grünen Befürchtung, daß die öffentlich-rechtlichen Banken im Alleingang nach 1992 konkurrenzunfähig sind?
Die gegenseitigen Aufkäufe im Bankensektor - Italiener kaufen in Spanien, Spanier kaufen in der Bundesrepublik, deutsche Banken kaufen in Spanien - lassen erahnen, was 1992 auf uns zukommt: Eine Konzentration und erneute Verstärkung des Finanzsektors und seines politischen Einflusses. So gesehen hat die Argumentation der Grünen etwas für sich. Ein Zusammenschluß der West LB und der Helaba könnte es dann auf europäischer Ebene einfacher machen, der Interessenvertretung des Privatbankensektors etwas entgegenzusetzen. Vor dem Hintergrund der real existierenden Sparkassen habe ich aber Bedenken, daß dieses Mammutinstitut demokratisch kontrolliert werden wird.
Im Meer der europäischen Wirtschaft stehen dann also nur noch riesige Felsen - die konzentrierten Großbanken - und dazwischen driftet, als kleiner Kieselstein, die Ökobank. Wie bereitet Ihr Euch denn auf 1992 vor?
Wir haben kein spezielles Vorbereitungsprogramm für Europa. Wir brauchen jetzt aber nicht nur in der Bundesrepublik eine breite Diskussion mit den hiesigen Institutionen wie z.B. den Netzwerken. Das muß auch auf europäischer Ebene laufen. Es gibt ja Bankeninitiativen auch in anderen Ländern, in Spanien, in Italien mit einer sehr alten Genossenschaftsstruktur, in den Niederlanden in Dänemark usw. Gerade wenn jetzt riesige Konzerne geschmiedet werden, die als einflußreiche Sprachrohre ihre Interessen als diejenigen der Allgemeinheit ausgeben werden, müssen wir andere Sprachrohre schaffen, mit denen wir auch alternativökonomische Ansätze vertreten können.
Gibt es denn schon gegenseitige Beteiligungsmodelle mit Ökobanken, Netzwerken oder ähnlichem im übrigen Europa?
Das wäre zu früh. Ich will das nicht ausschließen. Wir wollen aber nicht den Eindruck einer neuen Avantgarde der Vordenker erwecken. Vorrangiges Ziel sind keine gegenseitigen Verschachtelungen, sondern eine einheitliche Stimme der verschiedenen Initiativen im neuen Binnenmarkt.
Ein Teil der Vorbereitung der Großbanken besteht ja in der Ausweitung des Geschäftsbereiches - etwa in Richtung auf Versicherungen. Das Allfinanzinstitut ist im Kommen. Von Euch hört man, daß Ihr mit der R+V-Versicherung kooperieren wollt. Ist das Eure Antwort darauf?
Nein, damit hat es nichts zu tun. Wir haben nur sehr schnell gemerkt, daß bei unseren Kunden das Interesse bestand, daß wir auch Versicherungen anbieten. Aufgrund einer seit langem gewachsenen Geschäftsbeziehung zu einer kollektiven Versicherungsagentur in München, die mit der R+V zusammenarbeitet, sind wir dann bei der gelandet. Das muß keine auf ewig festgelegte Geschäftsbeziehung sein, wir könnten auch mit anderen zusammenarbeiten. Wir vermitteln lediglich Versicherungsverträge der R+V an unsere Kunden.
Die R+V ist aber sowohl im Rüstungs-, im Südafrika- sowie im Atomgeschäft tätig.
Wenn man im Wirtschaftsgefüge der Bundesrepublik steckt, wird es nicht durchzuhalten sein, daß man niemals in Berührung kommt mit diesen Bereichen.
Müßtet Ihr dann nicht wenigstens auf jeden Vertrag ähnlich wie bei der Zigarettenwerbung schreiben: Die Ökobank warnt: Diese Versicherung ist im Atomgeschäft tätig?
Das wäre der falsche Ansatz. Wir nehmen die Beteiligungen der R+V hin. Ziel kann doch aber deshalb nicht sein, aus dem Geldkreislauf der Bundesrepublik auszusteigen, sondern nach wie vor, die politischen Vorstellungen, die hinter der Ökobank stehen, umzusetzen. Das Entscheidende für uns ist: Welche Projekte, welche Betriebe haben wir finanziert, was kriegen wir hin? Wir können nicht sagen, daß wir mit denjenigen, die über irgendeine Schachtel an der Rüstung beteiligt sind, nicht mehr reden dürfen. Das wäre der Marsch ins Sektierertum, für uns als Ökobank ein tödlicher Weg. Wir dürften dann ja auch kein Geld bei der Bank für Sozialwirtschaft anlegen, bis wir es in Betriebe und Projekte stecken können, wie wir das heute machen. Denn auch die wird ja wieder irgendwo anlegen.
Habt Ihr von Euren Kunden eigentlich Druck gekriegt, als die R+V-Verbindungen in einem längeren Artikel der Zeitung 'Contraste‘ dargestellt wurden?
Wir haben Briefe bekommen, das finde ich auch in Ordnung, man muß sich ja mit dem Thema auseinandersetzen. Das ist uns ja nicht egal, wir wollen darauf auch reagieren.
Interview: Ulli Kulke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen