: Ambitionierte Fingerübung
Der endgültige Kommentar zu den Pokalgesetzen ■ WIR LASSEN LESEN
Einstmals entführte er ein Flugzeug, unter anderem um zu erreichen, daß die Kinder weniger Schularbeiten machen müssen, später drückte er die Parlamentsbank für die Grünen, heute hat er sich mit Haut und Haaren dem Fußball verschrieben: Raphael Keppel.
Neben dem Ausbrüten von innovativen Ideen zur Genesung des Fußballs - als da wären die Aufhebung der Abseitsregel, an Toren orientiertes Prämiensystem sowie eine Mischung aus altem Regionalliga- und modernem Bundesligasystem - widmet er sich dabei vor allem der Geschichtsschreibung. Bestanden seine ersten Errungenschaften „125 Jahre Fußball-History“ und „25 Jahre Bundesliga“ noch weitgehend aus puren Ergebnissen und Mannschaftsaufstellungen, ist die kürzlich erschienene „Deutsche Pokalgeschichte 1935-88“ bereits wesentlicher ambitionierter gestaltet - eine konzeptionelle Fingerübung sozusagen für die geplante zwölfbändige „Fußball -Chronik“ mit „allen erfaßbaren Fakten über den Weltfußball“. Den berüchtigten eigenen Gesetzen des Pokals wird mit einer Akribie nachgegangen, die selbst renommierte Rechtskommentatoren wie Palandt und Konsorten als unbedarfte Erstsemester erscheinen läßt.
Schon die Darstellung des ersten Pokalwettbewerbs 1935, an dem solch illustre Clubs teilnahmen wie der Reichsbahn SV, die Turngemeinde Eimsbüttel (die in der ersten Runde in einem packenden Ortsderby den BSC Eimsbüttel mit 7:3 ausschaltete) oder der VfL Benrath, enthält alle Elemente der weiteren Pokalanalyse: Ergebnisse, Mannschaftsaufstellungen und Torschützen, eine Bilanz der Pokalsaison, die erfolgreichsten Torjäger, die ewige Pokaltabelle (in der noch 1988 der Dresdener SC die elfte Position behauptet) und Spielberichte zuhauf.
In der zweiten Runde sind die Reportagen noch kurz gehalten - „Nürnberg spielte Katz und Maus mit den Ulmern“ - je mehr es auf das Finale zugeht, desto opulenter geraten sie. Abgerundet wird die Cupsaison durch die jeweilige „Mannschaft des Pokals“, gebildet von den Spielern, die die „eigenen Gesetze des Pokals“ im betreffenden Jahr am Geschicktesten interpretiert und und in der Praxis verifiziert haben. Wir präsentieren zwei - wahllos herausgegriffene - Exemplare aus verschiedenen fußballerischen Epochen:
1936 (Pokalgewinner VfB Leipzig): Woellner (Leipzig) Winkler (Worms), Brunnhuber (Schweinfurt) - Gellesch (Schalke), Thiele (Leipzig), A. Kitzinger (Schweinfurt) Urban (Schalke), Hohmann (Benrath), Pörtgen (Schalke), Kuzorra (Schalke), Fath (Worms).
1976 (Pokalgewinner HSV): Kargus (HSV) - Vogts (M'gladbach), Beckenbauer (Bayern), Hermandung (Hertha), Gelsdorf (Bielefeld) - Beer (Hertha), Zewe (Düsseldorf), Handschuh (Braunschweig), Grabowski (Frankfurt), Toppmöller (K'lautern), Granitza (Völklingen).
Matti
Die Deutsche Pokalgeschichte 1935-88, Sport- und Spielverlag, Postfach 1268, 6442 Rotenburg/F., 70 Mark incl. Versand.
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