: Sandkastenspiele im Skandinavium
Heute um 16 Uhr beginnt Finale im Tennis-Davis Cup Schweden - BRD / Becker und Steeb Einzelspieler ■ Aus Göteborg Matti Lieske
Am Mittwoch ist die Außentemperatur im Land der tausend zugefrorenen Seen mit drei Grad plus erfreulich hoch. Der Himmel über Göteborg ist klar, und sogar die Sonne scheint durchgehend von der Zeit ihres Aufganges gegen zehn bis zur Zeit ihres Unterganges gegen fünfzehn Uhr. Die Leute erledigen, in dickes Tuch gehüllt, ihre Weihnachtseinkäufe oder gehen ihrer Arbeit nach. So auch Mats Wilander und Stefan Edberg, die sich, wie es ihr Beruf als Tennisspieler erfordert, im „Skandinavium“ kleine, gelbe, träge Bälle der Marke „Tretorn“ um die Ohren schlagen. Ein gutgelauntes, dennoch konzentriertes Match. Wilander dominiert, Edberg übt sich im Grundlinienspiel, Trainer Hasse Olsson weiter in Geheimniskrämerei. Er mag noch nicht verraten, welche seiner Spieler am Freitag die ersten beiden Matches des Davis Cup -Finales gegen die Bundesrepublik bestreiten werden.
Der Platz in der Halle, die 15.000 Zuschauer faßt, ist mit jener roten Asche präpariert, die die meisten schwedischen Tennisprofis über alles lieben und in die sich die Bälle tief hineinbohren, ehe sie sich entscheiden, doch noch ein wenig in die Höhe zu hüpfen. Labsal für die in den Grundschlägen sicheren Schweden, Gift für die deutschen Aufschlagasse.
Während in der Halle bereits alles gerichtet ist, wird in den übrigen Räumen des weitläufigen Skandinaviums noch eifrig gearbeitet, um den gewaltigen Bau in Daviscupform zu bringen. Da werden Teppiche verlegt, Wände gestrichen, Schilder mit dem Schriftzug „Davis Cup“ sowie den Namen der Sponsoren aufgehängt und haufenweise Weihnachtsbäume in den Weg gestellt. Schließlich sollen sich die Ehrengäste und Sponsoren genauso wohlfühlen wie die schwedischen Spieler in ihrer „Buddelkiste“, wie Boris Becker den Sandplatz respektlos nannte.
Zwar sei der Boden in den letzten Tagen wesentlich härter geworden, urteilte der vom deutschen Teamchef Niki Pilic zum zweiten Einzelspieler neben Becker nominierte Carl-Uwe Steeb, er sei nicht mehr so stumpf und die Bälle würden nicht mehr so oft verspringen, aber das könne sich ja durchaus ändern. Ein kräftiger Regenguß aus der Retorte könnte da Wunder wirken. Steeb jedenfalls bleibt mißtrauisch: „Vielleicht ist er Freitag wieder langsamer. Das weiß man nie.“ Die Schweden hatten 1984 mit ihrem „Acker, auf dem man Kartoffeln pflanzen sollte“ (John McEnroe), bei ihrem sensationellen Finalsieg in Göteborg schon die Amerikaner zur Verzweiflung gebracht und den heißblütigen McEnroe dazu veranlaßt, mit einem bildschönen Vorhandvolley den Inhalt eines Mineralwasserbechers auf die königliche Loge zu verteilen. Damals hatten sie gegen McEnroe/Connors nach 1975 den zweiten Davis Cup-Sieg der schwediscehn Geschichte errungen, dem 1985 (gegen die BRD) und 1987 (gegen Indien) zwei weitere folgen sollten.
Historisch gesehen gehören die Schweden dennoch zu den Davis Cup-Zwergen. Allein der Australier Roy Emerson hat doppelt so oft wie sie den Davis Cup gewonnen. Er war bei acht der 26 australischen Siege mit von der Partie. Die Amerikaner, die den Cup im Jahre 1900 erfanden, holten ihn sogar 29mal.
Das dominierende Team der jüngeren Geschichte freilich ist Schweden, das seit 1983 jedes Jahr das Finale erreichte. Ebenso wie die Bundesrepublik hatte es in dieser Saison nur Heimspiele zu bestreiten (gegen Neuseeland, die CSSR und Frankreich); während die BRD jedoch gegen Brasilien, Dänemark und Jugoslawien kein einziges Einzel- oder Doppel -Match und nur drei Sätze abgab, hätte es die Skandinavier im Viertelfinale fast erwischt. Da machten sie den Fehler, gegen die CSSR in Norrköping auf schnellem Boden anzutreten. Wilander verlor prompt beide Einzel und Edberg konnte gegen Mecir erst mit 9:7 im fünften Satz die schwedische Davis Cup -Ehre retten.
Ein Satzergebnis übrigens, das ab dem nächsten Jahr seltener sein wird, denn 1989 wird auch im Davis Cup der Tie -break (mit Ausnahme des fünften Satzes) eingeführt. Dann werden solche Marathon-Matches wie das von John McEnroe gegen Mats Wilander im Jahre 1982, das stolze 6:22 Stunden dauerte, endgültig der Vergangenheit angehören. Zu brechen wäre somit zeitlich gesehen nur noch der Rekord der kürzesten Partie. Den hält der Deutsche Henkel, der den Rumänen Schmid im Jahre 1934 mit 6:0, 6:0, 6:1 abfertigte. Gedauert hatte das Drama des Herrn Schmid damals ganze 22 Minuten.
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