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Nationalitätenkonflikt bricht auf

■ Moskauer Karabach-Komitee meldet 150 Verhaftungen armenischer Nationalisten / 'Prawda‘ berichtet von gestoppten Hilfstransporten für die Erdbebenopfer an der armenisch-aserbaidschanischen Grenze

Moskau/Berlin (afp/dpa/taz) - Während Bulldozer die Trümmer der Stadt Spitak planieren, bricht der Nationalitätenkonflikt in Armenien und Aserbaidschan wieder auf: Das Moskauer Karabach-Komitee berichtete von der Verhaftung 150 armenischer Nationalisten in Eriwan seit Samstag. Die 'Prawda‘ zitierte in ihrer gestrigen Ausgabe den Stabschef der inneren Streitkräfte, Generalleutnant Dubinjak, wonach „auch das Erdbeben die Absichten nationalistischer Scharfmacher nicht in den Hintergrund drängen konnte“. Die Armee habe in Armenien „Tausende von Handfeuerwaffen beschlagnahmt“.

Die 'Prawda‘ meldete in der gleichen Ausgabe, daß an der armenisch-aserbaidschanischen Grenze Lastwagen mit Hilfsgütern gestoppt und an der Weiterfahrt ins Erdbebengebiet gehindert worden seien. Dubinjak wurde mit der Bemerkung zitiert: „In manchen Orten Aserbaidschans wurde sogar gefeiert“, als das Erdbeben bekannt wurde. Radio Moskau meldete, daß weite Gebiete Armeniens und Aserbaidschans am Dienstag unter Ausnahmerecht gestellt worden seien, nachdem ein Ausbrechen des Nationalitätenkonflikts gedroht hätte. Am Mittwoch hatte der sowjetische Gesundheitsminister Tschasow versichert, daß Armenier, die aus Aserbaidschan geflüchtet seien, nicht dorthin zurückgebracht werden würden. Auf die Frage, weshalb nicht, antwortete er: „Das muß doch wohl klar sein.“

Nachdem in sowjetischen Medien immer öfter die unzureichende und zu späte Koordination der einzelnen Hilfsaktionen kritisiert worden war, werden die Rettungsarbeiten im Erdbebengebiet zunehmend von der Armee koordiniert. Der Militärkommandant von Eriwan, Albert Makaschow, schrieb gestern in der Armeezeitung 'Krasnaja Swesda‘, die Truppen führten zur Verhinderung von Plünderungen verstärkt Kontrollen durch. Auch die Absperrung der Zufahrtswege zum Katastrophengebiet begründete Makaschow mit der Gefahr von Plünderungen.

In Leninakan, der zweitgrößten Stadt Armeniens patrouillieren Soldaten in kugelsicheren Westen vor den Trümmern von Geschäften. In den ersten Tagen nach dem Erdbeben waren derartige Maßnahmen nicht nötig. Seit Dienstag, nach vier Tagen unter freiem Himmel und meist nur von offenen Feuerstellen erwärmt, scheinen die Plünderungen zuzunehmen. Ein Augenzeuge berichtete, „die Soldaten haben das Feuer auf drei Plünderer eröffnet. Einer wollte sich in einer Gruppe von Geretteten flüchten und wurde von ihnen zusammengeschlagen.“

Gesundheitsminister Tschasow erklärte, die Seuchengefahr sei im Katastrophengebiet mittlerweile gebannt. Noch seien keine Fälle von Typhus oder Ruhr bekanntgeworden. Dafür stellten die sinkenden Temperaturen die Behörden vor neue Probleme. So seien Frauen und Kinder aufgefordert worden, das Gebiet zu verlassen, da mit der Kälte die Gefahr einer Lungenentzündung wachse. Für das Wochenende werden Schnee und starke Stürme für Armenien vorhergesagt. Die 'Prawda‘ berichtete, ausgerechnet in Spitak, der am härtesten betroffenen armenischen Stadt, bekämen die Leute nicht einmal regelmäßig warmes Essen. Die Fahrer der Lastwagen, die mit dem Nötigsten beladen sind, stünden im harten Kampf gegen Kälte, Schnee und Geröll auf den wenigen Straßen, die noch befahrbar sind. Hauptaufgabe sei, die Geretteten ein zweites Mal zu retten: diesmal vor dem Kältetod.

Laut Tschasow befinden sich derzeit 9.153 Verletzte in Krankenhäusern in Armenien, Georgien und Moskau. 500 von ihnen litten unter dem sogenannten „Crash-Syndrom“, einer Blutvergiftung, die auftritt, wenn ein Teil des Körpers über längere Zeit Quetschungen ausgesetzt war. Rund 70 Prozent des örtlichen medizinischen Personals sei, so Tschasow, selbst unter den Toten und Verletzten, „der Rest litt oft unter Schocks und konnte nicht eingesetzt werden“. Gegenwärtig betreuten 4.000 Helfer die Opfer medizinisch, darunter 160 Ärzte aus dem Ausland.

smo

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